Der Wiedererlangung der staatlichen Unabhängigkeit im Jahr 1918 wird in Polen am 11. November, einem gesetzlichen Feiertag, gedacht. An dieses Ereignis vor nunmehr 90 Jahren* erinnert in Chełmno (Culm) ein Unabhängigkeitsdenkmal, das vor genau zehn Jahren errichtet worden ist. Es liegt weit weg von anderen Sehenswürdigkeiten der Stadt unmittelbar an der verkehrsreichen Landesstraße Nr. 1 nördlich des Betriebsgeländes der Polstermöbelfabrik Helvetia. Das Denkmal wird gebildet von einer 135 cm hohen und 80 cm breiten Bronzetafel, die an einer 280 cm hohen und 600 cm breiten Mauer aus hellen Ziegeln angebracht ist, und es steht am Ende einer mit Kies versehenen Fläche unmittelbar vor dem Werkszaun.
Die für ein derartiges Denkmal ungünstige und eigentlich unangemessene Lage ist eine Folge der Vorgeschichte dieser Stelle, die bereits zu preußischer Zeit mit einem (deutsch-)nationalen Symbol besetzt worden war. Damals gab es weder die Fabrik noch die Fernstraße, die beide erst nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind. An diesem erhöht gelegenen Ort wurde 1909 auf freiem Feld ein Bismarckturm gebaut, der kurz nach der Unabhängigkeit Polens als Symbol deutscher Herrschaft abgetragen wurde. An seine Stelle sollte nun, vielleicht in Anlehnung an den bekannten Kościuszko-Hügel und weitere derartige Objekte bei Kraków (Krakau), ein weithin sichtbarer Freiheitshügel treten. Mit seiner Aufschüttung begann man im Rahmen groß angelegter Feierlichkeiten unter Anwesenheit aller wichtigen örtlichen Würdenträger am 3. Mai 1921, dem 130. Jahrestag der Verabschiedung der Verfassung von 1791. Der Landrat Dr. Paweł Ossowski wandte sich mit folgendem Appell an die Bevölkerung:
Einwohner des Culmer Kreises! Wo ein solcher Hügel aufgeschüttet wird, dürfen unsere helfenden Hände nicht fehlen! Werfen wir Erde aus dem gesamten Kreis Culm auf, unsere polnische Erde, freie Erde, aus allen unseren Gemeinden, aus allen Ortschaften des Kreises!
Obwohl sich die Menschen anfänglich noch mit Elan an diesem Projekt beteiligten, konnte der Freiheitshügel nie vollendet werden. 1933 wandte sich eine Gruppe Culmer Bürger sogar mit dem ausdrücklichen Antrag, für eine vollständige Aufschüttung zu sorgen, an den Magistrat, jedoch wurden von amtlicher Stelle keine weiteren Schritte unternommen. Mittlerweile hatte auch das seit 1925 in der Stadtmitte gelegene Grab des unbekannten Soldaten die Funktion des Veranstaltungsortes für offizielle Feiern übernommen. Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Gelände von den deutschen Besatzern planiert und als Truppenübungsplatz genutzt.
Erst kurz vor der Wende, nämlich 1988, begründete Jerzy Kałdowski, der damalige Direktor des Museums des Culmer Landes, eine Initiative, die sich zum Ziel setzte, an der Stelle des einstigen Freiheitshügels ein Unabhängigkeitsdenkmal zu errichten. Zunächst plante man ein Monument und ließ zwei unterschiedliche Entwürfe vorbereiten, konnte aber mangels ausreichender Spenden nur den Guss einer Bronzetafel mit folgender Inschrift in Auftrag geben:
1918-1920
Zur Erinnerung an den 70. Jahrestag der Wiedererlangung der Unabhängigkeit durch Polen und den 68. Jahrestag der Befreiung Culms von der preußischen Herrschaft.Die Einwohnerschaft Culms
1988An der Stelle des Freiheitshügels vom 3. Mai 1921
Ganz unten befindet sich noch folgende Inschrift, die ein Fragment eines von Jerzy Kałdowski verfassten Liedes darstellt:
Sei gegrüßt, unabhängiges Vaterland, sei gegrüßt –
unsere heiligste Republik!
Zur Entstehung des Denkmals kam es vor der Wende nicht mehr. Die Bronzetafel wurde zehn Jahre lang im städtischen Museum verwahrt. 1998 bot sich angesichts des „runden“ Unabhängigkeitstags die Gelegenheit, das Unabhängigkeitsdenkmal zu vollenden. Entgegen den ursprünglichen Entwürfen, die den Einsatz eines Findlings vorsahen, errichtete man eine fünfteilige Ziegelmauer (übrigens nicht exakt an der Stelle des Freiheitshügels) und befestigte an ihr die Bronzetafel. Im Rahmen einer Feierstunde wurde das Unabhängigkeitsdenkmal am 10. November 1998 feierlich enthüllt.
Quellen:
- Anna Soborska-Zielińska, Pomnik Niepodległości, in: Chełmińskie pomniki i tablice pamiątkowe, Chełmno 2001, S. 205 ff
- Anna Soborska-Zielińska, Kopiec Wolności, in: Chełmińskie pomniki i tablice pamiątkowe, Chełmno 2001, S. 26 ff
[*Erstveröffentlichung dieses Beitrags: 08.11.2008; mit neueren Fotos ergänzt am 09.01.2021]