Trotz der Einführung des Kriegsrechts am 13. Dezember 1981 und der anschließenden Verhaftungen tausender Oppositioneller im Laufe des Jahres 1982 ließen sich die Mitglieder und Anhänger der Gewerkschaft Solidarität in Polen nicht unterkriegen und setzten sich im Untergrund weiter für eine demokratische Zukunft ihres Landes ein. Vor genau 25 Jahren kam es in Chełmno (Culm) zu einem Ereignis, das die Verbissenheit, aber auch die Furcht der kommunistischen Machthaber belegte, der schleichenden Revolution in den Köpfen und Herzen der überragenden Mehrheit der Polen nicht Herr werden zu können.
Im November 1982, also kurz vor dem ersten Jahrestag der Ausrufung des zu diesem Zeitpunkt immer noch andauernden Kriegsrechts, berief die Armee viele als Oppositionelle bekannte Männer zu Wehrübungen ein. Schon bald zeigte es sich, dass es in erster Linie nicht darum ging, die militärischen Fähigkeiten dieser Reservisten zu heben, sondern nur darum, sie von der Gesellschaft zu separieren und sie Tag und Nacht kontrollieren zu können.
Die sog. Wehrübungen wurden auf Befehl des Chefs des Generalstabs der polnischen Armee vom 26. Oktober 1982 an 13 Militärstandorten in ganz Polen abgehalten. De facto handelte sich um Internierungslager für mindestens 1500 „politisch unsichere“ Personen, in denen man diese umerziehen wollte.
Eines dieser Internierungslager befand sich vom 4. November 1982 bis zum 2. Februar 1983 ganz in der Nähe von Chełmno auf der Nonnenkämpe (poln. Kępa Panieńska), einem Bereich zwischen Schutzdeich und Weichselufer, der sich gut bewachen ließ. Von den etwa 300 in Zelten untergebrachten „Soldaten“ aus Nordpolen, darunter drei Einwohnern der Stadt Chełmno, wurde bedingungsloser militärischer Gehorsam verlangt. Es war ihnen verboten, das Lager zu verlassen. Die Wärter hatten Befehl, Fluchtversuche mit scharfer Munition zu verhindern.
Die Oppositionellen waren im Lager so verteilt, dass Personen aus einer Stadt oder einer Fabrik keinen Kontakt miteinander hatten. Ihre Rechte waren stark eingeschränkt. Die religiöse Betätigung wurde behindert. Briefe wurden zensiert, Begegnungen mit Familienangehörigen waren nur unter Aufsicht in einer Kaserne in der Stadt möglich, und zwar nur sonntags und anfänglich nur 15 Minuten lang. Erst später wurden die Besuchszeiten etwas verlängert. Informationen von draußen erreichten das Lager auch über das Küchenpersonal, das die Verpflegung aus der Kaserne in der Stadt an die Weichsel brachte. Das Brennmaterial, mit denen die Zelte bei winterlichem Wetter beheizt wurde, war knapp, ebenso wie sauberes Wasser. Die medizinische Versorgung war schlecht. Mirosław Polipowski aus Łódź (Lodsch) erinnert sich zudem an ständige Drohungen, Psychoterror, unsinniges Ausheben von Erdlöchern und das Fällen von Bäumen. Täglich wurde zehn Stunden lang gearbeitet. Als Protest gegen die schlechte Behandlung und die unerträglichen Bedingungen traten die Lagerinsassen mehrmals in Hungerstreik. Viele erlitten schwere Schäden an ihrer Gesundheit.
Den Einwohnern von Chełmno wurde offiziell erklärt, dass im Lager an der Weichsel Kriminelle untergebracht seien. Nach der Flucht des Häftlings Roman Malinowski aus Szczecin (Stettin), der in der Marienkirche bei Pfarrer Jan Kujaczyński Hilfe suchte und fand, ließ sich der wahre Charakter des Lagers jedoch nicht länger verbergen. Der Initiative der Kirche, nämlich der Pfarrer Jan Kujaczyński und Czesław Rajda, hatten es die Inhaftierten zu verdanken, dass unter den Einwohnern von Chełmno Medikamente und Lebensmittel für die Lagerinsassen gesammelt und unter anderem von Dr. Zofia Zychowa und Elżbieta Michalak, die beide der Solidarität angehörten, ins Lager gebracht wurden. Für die Beförderung zwischen Stadt und Lager boten örtliche Taxifahrer uneigennützig ihre Hilfe an. Józef Pintera aus Bydgoszcz (Bromberg), der als Funktionär der Solidarität ebenfalls im Lager inhaftiert war, erinnert sich, dass im letzten Monat Informationen über das Lager bis in seine Heimatstadt gedrungen sind und auch Radio Freies Europa über das Schicksal der Internierten berichtete.
Die Existenz des am 2. Februar 1983 aufgelösten Internierungslagers wurde später lange Zeit von offiziellen Stellen geleugnet. Von 1984 bis mindestens 1989 trafen sich viele Inhaftierte einmal jährlich in Chełmno. Pfarrer Jan Kujaczyński hielt aus diesem Anlass jeweils eine Messe und stellte Räumlichkeiten seiner Kirchengemeinde für das Treffen zur Verfügung.
An das Schicksal der Insassen des Internierungslagers 1982/1983 und die von Einwohnern der Stadt geleistete Hilfe erinnern eine Gedenktafel in der Marienkirche und seit dem 11. November 2007 auch ein in einem städtischen Park enthülltes Denkmal.
Dieses Solidaritäts-Denkmal besitzt zwei Tafeln.
Die erste trägt die Inschrift:
MIESZKAŃCOM CHEŁMNA ZA UDZIELONĄ POMOC. INTERNOWANI Z OBOZU WOJSKOWEGO KĘPA PANIEŃSKA 5.11.1982-2.02.1983. CHEŁMNO, 11.11.2007.
Übersetzung:
DEN EINWOHNERN CULMS ALS DANK FÜR DIE GEWÄHRTE HILFE. DIE INTERNIERTEN DES ARMEELAGERS NONNENKÄMPE 5.11.1982-2.02.1983. CULM, DEN 11.11.2007.
Die zweite Tafel besitzt eine längere Inschrift:
WOJSKOWY OBÓZ INTERNOWANYCH CHEŁMNO KĘPA PANIEŃSKA 5.11.1982-2.02.1983. 305 INTERNOWANYCH ZE SZCZECINA, KOSZALINA, ŁODZI, SŁUPSKA, GDAŃSKA, ELBLĄGA, OLSZTYNA, BYDGOSZCZY, TORUNIA, WŁOCŁAWKA. BYLI TO DZIAŁACZE OPOZYCJI DEMOKRATYCZNEJ, CZŁONKOWIE NSZZ „S“.
Übersetzung:
ARMEE-INTERNIERUNGSLAGER CULM NONNENKÄMPE 5.11.1982-2.02.1983. 305 INTERNIERTE AUS STETTIN, KÖSLIN, LODSCH, STOLP, DANZIG, ELBING, ALLENSTEIN, BROMBERG, THORN UND LESLAU. ES HANDELTE SICH UM FUNKTIONÄRE DER DEMOKRATISCHEN OPPOSITION, MITGLIEDER DER UNABHÄNGIGEN SELBSTVERWALTENDEN GEWERKSCHAFT „SOLIDARITÄT“.
Quellen:
- Izabela Walicka, To był obóz dla internowanych, Czas Chełmna 09.11.2007, S. 6
- Wojciech Polak, Czas ludzi niepokornych, Toruń 2003, S. 98 f
- Tomasz Chinciński, Ekstrema w obozie, Biuletyn Instytutu Pamięci Narodowej 2006, Nr. 11-12, S. 53 ff (verfügbar als PDF-Datei auf der Website www.ipn.gov.pl)
[Erstveröffentlichung des Beitrags: 02.01.2008; um Foto ergänzt am 26.01.2021]