Kaufhäuser waren vor dem Ersten Weltkrieg wichtige Werbekunden der Culmer Zeitung. Davon zeugen großformatige Anzeigen, die regelmäßig – meistens auf der letzten Seite – ihrer Ausgaben erschienen sind.
Im August 1911 sprach das Kaufhaus von Rudolph Conitzer in Schwetz an der Weichsel (Świecie nad Wisłą) mit einer vierseitigen Werbebeilage in der Culmer Zeitung (Ausgabe vom 13. August) auch seine Kundschaft auf der anderen Seite der Weichsel an. Hier können Sie Abbildungen dieser Werbebeilage einsehen:
Vom 1932 verstorbenen Rudolph Conitzer (oft wird auch die Schreibweise „Rudolf“ verwendet) ist ein mit „Berlin 1929/30“ datierter, sechs Schreibmaschinenseiten umfassender, Auszug aus seiner Selbstbiographie erhalten geblieben. Dieser Auszug ist Teil der vom Leo Baeck Institute in New York aufbewahrten und dank Digitalisierung im Internet verfügbaren John H. Richter Collection 1904-1994 (Link zur Sammlung).
Lauf diesem Dokument wurde Rudolph Conitzer am 8. Mai 1851 in Jeżewo (Jeschewo), Kreis Świecie (Schwetz), geboren. Er besuchte zunächst die deutsche Landschule im Nachbardorf Taszewskie Pole (Taschauerfelde), später gemeinsam mit seinen Vettern Hermann Tuchler und Louis Jakob die jüdische Privatschule in Tuchola (Tuchel). Schließlich wohnte er bei seinem Onkel Bennheim in Świecie (Schwetz) und ging dort auf die Bürgerschule.
Rudolph Conitzers 1789 in der Nähe von Warschau geborener Großvater Aron ließ sich in Sępólno Krajeńskie (Zempelburg) nieder, sein Vater Moses kam am 3. Februar 1822 auf die Welt und lebte in Jeżewo. Er heiratete 1850 die am 1. Juni 1824 geborene Ernestine Bennheim. Sie hatten sieben Kinder, die Söhne Rudolph, Nathan (geb. 1857), Alexander (geb. 1859), Hermann (geb. 1862), Lothar und die Tochter Rahlchen. Die Conitzers waren relativ vermögend und beschäftigten zumindest für einige ihrer Kinder einen Hauslehrer. 1857 wurde ein massives Geschäfts- und Wohnhaus errichtet. Zur positiven wirtschaftlichen Entwicklung in Jeżewo trug der Bau der Bahnlinie bei. Moses Conitzer erweiterte seinen Besitz um landwirtschaftlich genutzte Flächen. Außerdem richtete er in seinem Haus einen Synogogenraum mit Torarolle ein. Sein Geschäft vergrößerte Moses Conitzer dank der günstigen Konjunktur um Kurz- und Schnitt- sowie Eisenwaren.
Mit 13 Jahren trat Rudolph Conitzer eine Lehre bei Salomonsohn & Co. in Inowrocław an, kehrte aber nach einer vierwöchigen Probezeit wieder nach Hause zurück. Da sein Vater „im Schriftlichen weniger bewandert war“, übernahm er den Schriftverkehr und die Buchführung. Bis zum 1. Juli 1878 arbeitete Rudolph im Geschäft seines Vaters in Jeżewo, als er sich – nunmehr 27 Jahre alt – in Świecie (Schwetz) selbständig machte.
Seine Brüder eröffneten mit elterlichem Kapital ein Geschäft in Kwidzyn (Marienwerder). Conitzers Eltern zogen ebenfalls nach Kwidzyn um. Ab dem 1. Februar 1882 bestand dort das Manufaktur- und Modewarengeschäft „M. Conitzer & Söhne“. Moses Conitzer verstarb 1902.
Rudolph Conitzer schreibt über seine Firmengründung in Schwetz: „Am 1. Juli 1878 etablierte ich mich … in dem Jakob Bischerschen Hause am Grossen Markt, das neu erbaut wurde … ein Manufakturwarengeschaeft, und zwar nur mit allein erworbenem Geld.“
Im Februar 1880 heiratete Rudolph Conitzer die Tochter des Getreidehändlers und Spediteurs Dobrzynski aus Inowrocław. Er erinnert sich: „Die Mitgift von 15.000 Mark, die zur damaligen Zeit ein schoenes Kapital bedeutete, kam mir geschaeftlich sehr zu statten. (…) Nach einigen Jahren hatte ich Gelegenheit, das ehemalige Neuss’sche Eckgrundstück am Grossen Markt (…) fuer 36.000 Mark zu kaufen. Im Laufe der Jahre habe ich es oefter umgebaut und aufgestockt, sodass es mit der Zeit durch die 12 Schaufenster, das Oberlicht, die Centralheizung eine Sehenswuerdigkeit von Schwetz wurde.“
Conitzer beteiligte sich auch mit wirtschaftlichem Erfolg an der Gründung der Schwetzer Zuckerfabrik und der Kalksandsteinfabrik. Seine Frau Rosa und er unternahmen Reisen nach Italien, Frankreich und England. Von 1903 bis 1906 war er Stadtrat, später (auch) Kreistagsabgeordneter. Er setzte sich für den Bau der Bahnverbindung Świecie-Laskowice (Schwetz-Laskowitz) ein. Außerdem schreibt er, die Einrichtung einer Reichsbanknebenstelle und einer kaufmännischen Fortbildungsschule in Schwetz sei auf seine Veranlassung erfolgt. Er spendete beträchtliche Summen für wohltätige Zwecke. Ab 1909 leitete Rudolph Conitzer die Einkaufsgemeinschaft der 12 Kaufhäuser der Familie Conitzer in Berlin, ohne jedoch seinen Wohnsitz in Schwetz vollkommen aufzugeben.
Am 12. November 1919 starb Rosa Conitzer, geb. Dobrzynski. Das Kaufhaus in Schwetz war nach dem Ersten Weltkrieg viele Jahre lang geschlossen und wurde 1929 für ein Drittel seines Werts verkauft.
Rudolph Conitzer starb 1932. Einige Jahre später, während der NS-Zeit, wurde die Familie Conitzer enteignet und ihre in Deutschland gelegenen Kaufhäuser „arisiert“. Neben Rudolph Conitzer hatten sich unter anderem seine drei Brüder Nathan (1857-1933), Alexander (1859-1951) und Hermann (1862-1936) sowie sein Cousin Alfred Conitzer (1881-1951) erfolgreich im Einzelhandel betätigt.