Frédéric Chopin in Schwetz

Der Komponist Frédéric (Fryderyk) Chopin, 1810 in Żelazowa Wola rund 50 km westlich von Warschau geboren, gilt als bedeutendste Persönlichkeit der polnischen Musikgeschichte. Bevor er 1830 sein Heimatland für immer verließ, studierte er von 1826 bis 1829 in Warschau bei Józef Elsner. In diesen Jahren unternahm Chopin viele Reisen und begab sich auch zum ersten Mal ins Ausland. Wie über so viele Aspekte seines Lebens liegen auch über diesen Zeitraum keine vollständigen Überlieferungen vor, die eine lückenlose Beschreibung seiner Aufenthaltsorte erlauben. Sehr wahrscheinlich ist es, dass er 1827 für kurze Zeit die Region Culm – Schwetz besucht und im Gutshof der Familie Zboiński in Koslowo (poln. Kozłowo) während einer Reise nach Danzig eine Zwischenstation eingelegt hat.

Koslowo war ein kleines Dorf südwestlich von Schwetz und ist heute ein Teil der Stadt. Der Gutshof ist 1910 abgebrannt, erhalten sind nur zwei Nebengebäude. An den Besuch des Komponisten erinnert eine Gedenktafel mit der Inschrift “Zur Erinnerung an den Aufenthalt Frédéric Chopins in Koslowo und Schwetz im Sommer 1825″, die am 27. November 1985 vom Schwetzer Ortsverein des Polnischen Verbands für Touristik und Landeskunde (PTTK) auf einem Findling in der Nähe des früheren Gutshofs angebracht wurde.

Dass es diesen Besuch gegeben hat, ist sehr wahrscheinlich. In einem in Kowalewo bei Płock verfassten Brief an seine Eltern beschreibt Chopin, dass ihn eine Reise über Turzno nordöstlich von Thorn (Toruń) und Koslowo bei Schwetz bis nach Danzig führen wird. Zweifel bestehen jedoch daran, ob er diese im Jahr 1825 unternahm. Der genannte Brief ist nämlich beschädigt und trägt kein Datum. Professor Andrzej Bukowski geht in einem 1987 veröffentlichten Artikel davon aus, dass der Brief nicht aus dem Jahr 1825 stammt, sondern zwei Jahre später verfasst wurde. Bukowski hat festgestellt, dass der 17-jährige Chopin Teil einer Reisegesellschaft war, die im August 1827 im Danziger Hotel Drei Mohren Quartier nahm. Zu dieser gehörte, wie es das Intelligenz-Blatt für den Bezirk der Königlichen Regierung zu Danzig vermeldete, unter anderem Graf Zboiński aus Koslowo. Bukowski nimmt an, dass Chopin vom 10. bis 15. und vom 21. bis 25. August in Danzig war. Dazwischen, vom 16. bis 20. August, hielt er sich auf dem Gut des Grafen Sierakowski in Großwaplitz (poln. Waplewo Wielkie) östlich von Stuhm (poln. Sztum) auf.
Daraus folgt, dass die von Chopin seinen Eltern angekündigte Reise tatsächlich stattgefunden hat. Von Turzno aus führte die Fahrt mit der Kutsche sicherlich über Culmsee (Chełmża) bis nach Culm (Chełmno), um dort die Weichsel zu überqueren. In Koslowo bei Schwetz war Chopin wahrscheinlich vom 4. bis 8. August 1827, um dann mit seinem Gastgeber, dem Grafen Zboiński, den er schon in Kowalewo getroffen haben dürfte, nach Danzig weiterzureisen. Möglich ist, dass er auch auf der Rückreise hier Station machte. Ob der junge Komponist den August 1827 tatsächlich so verbracht hat, ist nicht vollkommen gesichert. Unklar ist nämlich, mit wem Chopin wieder zurück ins zum russischen Teilungsgebiet gehörende Kowalewo und dann weiter nach Warschau gereist ist. Als Minderjähriger konnte Chopin die russisch-preußische Grenze nämlich eigentlich nur in Begleitung eines Erwachsenen überqueren, in dessen Pass er eingetragen war. Dazu fehlen bisher nähere Angaben.

Graf Ksawery Zboiński war mit den Eltern Chopins befreundet. Sie wählten ihn als Taufpaten für ihre Tochter Emilia aus. 1795 in Koslowo geboren, erbte Ksawery Zboiński das väterliche Gut, zu dem insgesamt 4855 ha Land gehörten. Hier soll er auch vornehmlich gewohnt haben. Nach dem gescheiterten Novemberaufstand 1830 geht er in die Emigration nach Krakau. Anfang 1848 nimmt er an einer militärischen Erhebung gegen die preußische Regierung teil, die er mit 40000 Talern und einer 40 Mann starken Einheit unterstützt. Er wurde festgenommen und in Graudenz (Grudziądz) sowie Pillau inhaftiert. Ksawery Zboiński starb 1853 in Koslowo, vier Jahre nach dem frühen Tod Frédéric Chopins.

Quellen:
Andrzej Bukowski, Chopin w Kozłowie, Kociewski Magazyn Regionalny nr 3, Tczew 1987
Jan. A. Kamiński, W Kozłowie Chopin grał mazurki, Kociewski Magazyn Regionalny nr 1, Tczew 1986
Piotr Mysłakowski, Andrzej Sikorski: Ksawery Zboiński (1795-1853), veröffentlicht im Juni 2006 auf der Website des Narodowy Instytut Fryderyka Chopina

[Erstveröffentlichung dieses Beitrags: 13.01.2008; ergänzt mit Fotos des Gedenksteins 13.02.2024]