Radtour Chełmno – Stolno – Rybieniec – Klamry – Chełmno

Wer seinen Urlaub in Chełmno im Frühjahr oder Sommer über die Besichtigung historischer Gebäude und den Besuch von Events hinaus gerne etwas aktiver gestaltet, wird leider nur schwer Tipps finden, welche Touren zu Fuß oder per Rad möglich und empfehlenswert sind.
Waren noch vor gut fünfzehn Jahren Radwege fast vollkommen unbekannt, hat sich in dieser Hinsicht in den letzten Jahren in den Chełmno umgebenden Gemeinden einiges getan. Mittlerweile gibt es eine Reihe von kombinierten Fuß- und Radwegen sowie modernisierte Nebenstraßen mit wenig Verkehr, die einen Familienausflug auf zwei Rädern einfacher und vor allem sicherer machen.

Als Beispiel möchte ich Ihnen folgende Tour vorstellen. Karte:

Der gut 16 km lange Ausflug beginnt in Chełmno zwischen den Straßen „Planty Kolejowe“ und „Szosa Grudziądzka“ auf einem gepflasterten Weg, der einer früheren Bahnstrecke folgt. Wir fahren auf dieser bei Spaziergängern und Radfahrern beliebten Verbindung in südöstliche Richtung und überqueren in Sichtweite der Landesstraße 91 die „Ulica Przemysłowa“. Hier verläuft der gepflasterte Fuß-/Radweg parallel zur Landesstraße 91 weiter und geht am Ortsausgang von Chełmno in einen Asphaltweg über. Dieser führt uns – an einer Kreuzung mit Ampel in Grubno vorbei – bis in die ca. 5 km südöstlich von Chełmno gelegene Ortschaft Stolno.

Am Ende des Radweges in Stolno wenden Sie sich bitte nach links und fahren Sie vorsichtig über den großen Parkplatz. Folgen Sie dem Bürgersteig in südöstliche Richtung und überqueren Sie am Zebrastreifen die stark befahrene Landesstraße 91. Denken Sie daran, vorher vom Rad abzusteigen! Auf der gegenüberliegenden Straßenseite schieben wir unser Rad ein Stück weit auf dem Bürgersteig bis zur Einmündung der Straße, an der Sie auf der linken Seite einen Supermarkt sehen und die nach Norden in Richtung des Dorfes Rybieniec führt.

Foto 1

Diese Nebenstraße nach Rybieniec ist relativ breit und schwach befahren. Dennoch empfiehlt es sich, vorsichtig zu sein und z. B. durch entsprechende Kleidung sicherzustellen, dass man von Autofahrern gut gesehen wird. Ab Stolno geht es erst einmal bergab. Danach erwartet uns kurz vor Rybieniec die einzige stärkere Steigung unserer Tour. Wir fahren durch den Ort Rybieniec hindurch und folgen der schmalen, durch Felder führenden Asphaltstraße (siehe Foto 1).

Foto 2

Bitte achten Sie darauf, dass Sie an der richtigen Stelle nach Norden in Richtung Wald abbiegen (der Weg verläuft neben der auf Foto 2 zu sehenden Baumreihe), um durch den Wald hinab ins Weichseltal zu fahren.

Der Feldweg ist zunächst recht sandig, nach Regenfällen auch matschig. Später, bereits im Wald, geht er in einen geschotterten Forstweg mit relativ starkem Gefälle über. Bitte fahren Sie langsam durch den Wald, weil dieser gelegentlich von Autos und Forstfahrzeugen genutzt wird!

Am nördlichen Waldrand endet der Schotterweg an der Kreisstraße, auf der manche Auto- und Motorradfahrer leider sehr schnell unterwegs sind. Wir biegen daher vorsichtig nach links auf diese Kreisstraße ein, um sie nach ca. 300 m wieder nach rechts zu verlassen. Wir fahren auf der relativ ruhigen Asphaltstraße durch ein kleines Waldstück Richtung Nordwesten zur Ortschaft Klamry.

An der Bushaltestelle biegen wir nach links ab und radeln in westliche Richtung weiter durch den langgezogenen Ort Klamry Richtung Chełmno. Wir sehen neben älteren Gebäuden und Bauernhöfen viele neue Einfamilienhäuser. Die wenige Jahre alte Asphaltstraße ist schmal, wird aber nur von Anliegern befahren. Zum Schluss durchfahren wir auf dieser Nebenstraße noch einmal ein kleines Waldstück, in dem wir am Ende nach links abbiegen und kurz darauf den Ortseingang von Chełmno an der „Ulica Łunawska“ erreichen. Diese Straße verfügt über einen Gehweg und führt uns in westliche Richtung zur Landesstraße 91, die wir an der Fußgängerampel überqueren, um wieder in das Kerngebiet von Chełmno zu kommen.

Klamry – Gedenkstätte für NS-Verbrechen

Mit dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939 begann kein gewöhnlicher Krieg. Es ging dem Aggressor nicht nur um die Durchsetzung von Gebietsansprüchen oder die militärische Niederringung des Gegners. Vielmehr sollte ein ganzer Staat von der Landkarte verschwinden, so wie es bis zur Wiedererlangung der polnischen Unabhängigkeit am Ende des Ersten Weltkriegs über ein Jahrhundert lang der Fall gewesen war. Nach Vorstellung der Nationalsozialisten sollten so rasch wie möglich unumkehrbare Fakten geschaffen werden. Dazu gehörte es, die polnische Führungsschicht im wahrsten Sinne des Wortes zu beseitigen, also alle diejenigen Polen, die sich in unterschiedlichen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Funktionen während der Teilungszeit für die Unabhängigkeit ihrer Nation eingesetzt und ab 1918 am Aufbau und der Festigung des Bestands des jungen polnischen Staates beteiligt hatten. Diese potenziellen Widerstandskämpfer sollten gezielt gefangen genommen und getötet werden.

Gedenkstätte im Wald bei Klamry am 17.10.2015

So folgten den in Polen einrückenden deutschen Armeen der Wehrmacht Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD. Auch in dem von den Besatzern schon bald Reichsgau Danzig-Westpreußen genannten Teil Polens begannen sie, auf der Grundlage der nationalsozialistischen, rassistisch geprägten Weltanschauung die jüdische Bevölkerung, psychisch Kranke und Behinderte sowie einen erheblichen Teil der polnischen Elite zu ermorden. Zur Führungsschicht zählten die deutschen Besatzer unter anderem Priester, Lehrer, Beamte, Offiziere, Ärzte, Juristen, Großkaufleute, Handwerker und Gutsbesitzer, aber auch andere Personen, die sich in patriotisch ausgerichteten Organisationen betätigt hatten. Man schätzt, dass zehntausende Polen diesem auch „Intelligenz-Aktion“ genannten organisierten Massenmord zum Opfer fielen.

An der „Intelligenz-Aktion“ waren nicht nur aus dem Reich stammende Deutsche als Angehörige des SS- und Polizeiapparats oder der Wehrmacht beteiligt, sondern auch viele Einheimische, nämlich „waffenfähige volksdeutsche Männer“ im Alter von 17 bis 45 Jahren, die sich dem Mitte September 1939 gegründeten „Volksdeutschen Selbstschutz“ angeschlossen hatten. Die Autoren einer detaillierten Studie über diesen von Angehörigen der deutschen Minderheit in Polen gebildeten paramilitärischen Verband, der direkt der SS unterstellt war, haben seine Funktion zusammenfassend so beschrieben:

„Seine Aufgabe bestand offiziell darin, Volksdeutsche zu rekrutieren und zu organisieren, die später in SS und Polizei übernommen werden sollten, deutschen Besitz zu bewachen sowie polizeiliche Hilfsdienste bei SS- und Gestapo-„Aktionen“ zu leisten. Vielerorts verselbständigte sich die Miliz aber zu einer Organisation, in der deutschstämmige Polen als Rache für angebliche oder tatsächliche frühere Diskriminierungen, aus Rassenwahn oder auch nur aus purer Mordlust Verbrechen verübten. Darüber hinaus setzten die SS-Führer, Chefs der Zivilverwaltung und andere Instanzen der nationalsozialistischen Besatzungsherrschaft Selbstschutz-Angehörige als orts- und personenkundige Helfer und Denunzianten und als Mitglieder von Exekutionskommandos im Rahmen der Ausrottungsaktion gegen die polnische Intelligenz und die Juden ein.“

[aus: Christian Jansen / Arno Weckbecker, Der „Volksdeutsche Selbstschutz in Polen 1939/40, München 1992, S. 8]

Einen Überblick über die Ereignisse im Raum Kulm an der Weichsel, wie die Stadt Chełmno nad Wisłą unter deutscher Besatzung von 1939 bis 1945 hieß, finden Sie im 1997 verfassten Artikel Die nationalsozialistische Okkupation Kulms 1939-1945.

Die Fotos in diesem Beitrag zeigen die Gedenkstätte an der Stelle im Wald zwischen den Ortschaften Klamry (dt. Klammer) und Rybieniec (dt. Ribenz), an der im Herbst 1939, insbesondere in der Zeit vom 12. Oktober bis zum 11. November, von Deutschen begangene Massenhinrichtungen stattgefunden haben (Lage bei Google Maps).

Die Opfer stammten überwiegend aus der Region. Die zuvor Inhaftierten wurden mit Kraftfahrzeugen und Bussen unter der Bewachung von Mitgliedern des „Volksdeutschen Selbstschutzes“ in den rund sechs Kilometer östlich von Chełmno liegenden Wald gefahren und mit Maschinengewehren erschossen. An den Exekutionen sollen 20 Mitglieder des „Volksdeutschen Selbstschutzes“ sowie Angehörige von SS, Gestapo und Polizei beteiligt gewesen sein. Es gab drei Sammelgräber mit einer Länge von etwa sieben Metern, in denen die Opfer verscharrt wurden. Näheres ist nicht bekannt, denn im August und September 1944 wurden die Leichen von den Deutschen im Rahmen einer zweiwöchigen Aktion exhumiert und verbrannt, um Spuren zu verwischen. Zudem waren die Befehlswege innerhalb des „Volksdeutschen Selbstschutzes“ so gestaltet, dass keine schriftlichen Aufzeichnungen erstellt wurden. Eventuell vorhandene Dokumente wurden darüber hinaus später vernichtet. Es gibt daher keine bekannten Primärquellen über die Taten. Unter anderem aus diesem Grund ist die genaue Zahl der Opfer nicht feststellbar. In der Literatur ist von etwa 2000 Menschen die Rede, die im Wald bei Klamry ermordet worden sind. Laut der Inschrift auf dem Gedenkstein waren es sogar über 2500 Personen. Identifiziert werden konnte jedoch nur ein Bruchteil.

In jüngster Zeit hat die für die staatsanwaltschaftliche Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Polen zuständige Stelle des Instituts für Nationales Gedenken die im Wald bei Klamry begangenen Straftaten noch einmal untersucht und am 3. März 2014 die Ergebnisse ihrer Ermittlungen veröffentlicht. Man habe die Personalien von 87 getöteten Polen feststellen können. Die Historikerin Anna Soborska-Zielińska (Chełmińskie pomniki i tablice pamiątkowe, Chełmno 2001, S. 80-84) hat die Namen von 161 Opfern ermittelt.

[Erstveröffentlichung dieses Beitrags: 31.10.2015]