Schacht’schen Anlagen

Südlich und östlich des Sportplatzes erstreckt sich ein bewaldetes Gebiet, dessen amtliche Bezeichnung seit 1920 Słowacki-Park lautet. Bei genauer Betrachtung erkennt man noch die Spuren der planmäßigen Gestaltung dieser heute eher an einen Wald als an eine Parkanlage erinnernden Fläche.

Schacht’schen Anlagen in Chełmno - 2008Seine Entstehung verdankt der Słowacki-Park einer Initiative des seit 1898 in Culm lebenden Arztes Dr. August Schacht, der aus der Stadt einen Kurort machen wollte, in dem sich vor allem Personen mit Lungenerkrankungen erholen sollten. Zwar besaß Culm eine schöne Lage und zahlreiche Sehenswürdigkeiten, jedoch fehlte es an einer wichtigen Voraussetzung. Es gab in unmittelbarer Nähe der Stadt nur wenige Waldflächen. Daher schlug Schacht eine umfassende Aufforstung stadtnaher Bereiche südlich und nördlich der damaligen Wohngebiete vor. Sein Konzept präsentierte er 1906 in der mit einer beachtlichen Auflage (3000 Exemplare) herausgegebenen Schrift Die Anpflanzung größerer Wald- und Verschönerungsanlagen im Stadtgebiete Culm und Gründung eines Culmer Zweigvereins des Verbandes zur Hebung des Fremdenverkehrs in Ost- und Westpreußen einer breiteren Öffentlichkeit. Durch abgestufte Mitgliedsbeiträge wollte er es allen Einwohnern unabhängig von ihren Vermögens- und Einkommensverhältnissen ermöglichen, sich aktiv im Verein zur Hebung des Fremdenverkehrs zu betätigen.

Schacht’schen Anlagen in Chełmno - 2008Die tatsächliche Gründung des Vereins am 4. Juli 1906 und die rasche Entfaltung einer umfassenden Tätigkeit belegen, dass die Pläne Dr. Schachts in Culm positiv aufgenommen worden sind. Dr. Schacht wurde am 7. August 1906 erster Vereinsvorsitzender. Zu seinem Stellvertreter wurde Bürgermeister Komoss gewählt. Das Amt des Schriftführers übte Goerz aus, stellvertretender Schriftführer wurde der Lehrer Albert Rehbein und Schatzmeister ein gewisser Kummer. Bereits am 1. September 1906 kaufte der Verein für 5300 Mark ein erstes Grundstück mit einer Fläche von 17 Morgen. Man begann, Spazierwege anzulegen, Aussichtspunkte zu schaffen, Parkbänke aufzustellen und tausende Bäume zu pflanzen. Weitere Flächen wurden erworben, so dass 1907 im nun 45 Morgen (rund 11,25 ha) großen Park, der zu Ehren des Kaisers offiziell Wilhelmshöhe genannt wurde, 45000 Bäume wuchsen. Die nicht unerheblichen Finanzmittel stammten zum einen aus den Mitgliedsbeiträgen, zum anderen aus Spenden vermögenderer Bürger. Als Schenkungen überließen Einwohner dem Verein beispielsweise Sitzbänke und eine kleine Brücke, die den Zugang über den Bach Fribbe (poln. Browina) zum neuen Park ermöglichte. Der Verein organisierte außerdem Theatervorführungen, deren Erlös zur Finanzierung des neuen Parks eingesetzt wurde.

Während des Ersten Weltkriegs dürfte das Vereinsleben zum Ruhen gekommen sein, denn nach der polnischen Unabhängigkeit musste die neue Verwaltung, die den Park nach dem polnischen Nationaldichter Juliusz Słowacki benannte, umfangreiche Pflegearbeiten vornehmen, um der nach ihrem Begründer auch als Schacht’sche Anlagen bezeichneten Fläche wieder ihren alten Glanz zu verleihen. Ein Parkwächter sorgte dafür, dass die Nutzungsordnung eingehalten wurde. So war es verboten, im Park Blumen zu pflücken, Pilze zu suchen und zu reiten.

Schacht’schen Anlagen in Chełmno - 2008 - Gedenkstein für Rehbein und SchachtIn dieser Zeit betreute den Park die Towarzystwo Przyjaciół Chełmna (Gesellschaft der Freunde Culms), die im Mai 1929 zu Ehren Dr. Schachts, der nach dem Krieg die Stadt verlassen hatte, sowie des Lehrers Rehbeins einen Gedenkstein errichtete, der die polnische Inschrift trug:

Park ten założył
lekarz Dr. Schacht
r. 1906
a upiekszył nauczyciel
Rehbein
1906-1917
[Tow. Przyj. Chełmna 1929]

Schacht’schen Anlagen in Chełmno - 2008 - Gedenkstein für Rehbein und SchachtÜbersetzt bedeutet dies:

Diesen Park legte
der Arzt Dr. Schacht
im Jahr 1906 an
und der Lehrer
Rehbein verschönerte ihn
von 1906-1917
[Gesell. d. Freunde Culms 1929]

Der im Laufe der Jahrzehnte beschädigte Gedenkstein wurde 1996/1997 erneuert. Damals wurde auch sein Standort leicht verändert. Er befindet sich jetzt etwa 50 m östlich der Zufahrt zum Sportplatz. Heute nicht mehr vorhanden ist der unterste Teil der Inschrift „Tow. Przyj. Chełmna 1929”.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Organisation mehr, die den Słowacki-Park ständig betreute. Im Rahmen sog. Subbotniks, also vorgeblich freiwilliger und unbezahlter Arbeitseinsätze der Bevölkerung, wurde das Gelände gepflegt. Aus dieser Zeit dürften die Geländer an den noch gut erhaltenen Treppen sowie die Brüstung der im Sommer 2008, als die hier präsentierten Fotos entstanden sind, wegen Baufälligkeit gesperrten Brücke stammen.

Schacht’schen Anlagen in Chełmno - 2008An manchen Stellen erkennt man noch Fundamente gegenwärtig nicht mehr vorhandener Parkbänke. Im Großen und Ganzen hat der Park seine ursprüngliche Bedeutung völlig verloren. Relativ abseits gelegen, wird er nur von wenigen Spaziergängern genutzt. Ein Ziel des von Dr. Schacht 1906 vorgestellten Konzepts ist jedoch erreicht worden. Zwar hat sich die Stadt nicht zu einem Kurort entwickelt, jedoch mit dem verwilderten Park einen Stadtwald erhalten, der angesichts der ständig wachsenden Wohngebiete für kommende Generationen sicherlich einen wertvollen Naherholungsraum darstellen wird.


Quellen:
Anna Soborska-Zielińska, Parki i ogrody Chełmna, Chełmno 1999, S. 19-21 (Park Słowackiego)

Anna Soborska-Zielińska, Obelisk pamiątkowy poświęcony założycielowi Parku Słowackiego doktorowi Schachtowi i nauczycielowi Rehbeinowi, in: Chełmińskie pomniki i tablice pamiętkowe, Chełmno 2001, S. 51-53

[Erstveröffentlichung dieses Beitrags: 28.12.2008]

Ludwik Rydygier

Rydygier-Denkmal in Chełmno 11.02.2021

Rydygier-Denkmal im Park südlich des Graudenzer Tores – 11.02.2021

Ludwik Rydygier wurde 1850 in Dusocin, einem Dorf bei Grudziadz (Graudenz), geboren und besuchte von 1859 – 1861 das Gymnasium in Chojnice (Konitz). 1861 wechselte er ans Gymnasium in Chełmno (Culm), an welchem er 1869 das Abitur ablegte. Von 1869 bis 1878 studierte Rydygier in Greifswald und übte eine wissenschaftliche Tätigkeit in Jena aus.

Danach kehrte er nach Culm zurück, um eine Privatklinik zu gründen, die in medizinischer und sanitärer Hinsicht gut ausgestattet war und auch eine bedeutende Rolle durch ihre wissenschaftliche Forschungs- und Lehrtätigkeit spielte. In dieser Zeit entstand ein Teil der etwa 200 wissenschaftlichen Arbeiten Rydygiers einschließlich der Position „Lehrbuch der genauen Chirurgie“. In seiner Klinik in Culm führte Doktor Rydygier die weltweit erste Gastroduodenostomie bei einem Patienten mit Tumor aus. Ein zweiter großer Erfolg Rydygiers war die gelungene Durchführung einer Magenresektion bei einer Person mit einer Geschwürkrankheit, welche am 21. November 1881 erfolgte.

Ehemalige Klinik Ludwik Rydygiers in Chełmno April 2016

Ehemalige Klinik Ludwik Rydygiers (Ulica Dworcowa / Ulica Krótka) 16.04.2016

Im Jahr 1887 zog Rydygier nach Kraków (Krakau) um und übernahm einen Lehrstuhl für Chirurgie an der Jagiellonen-Universität. Später im Jahre 1898 wurde ihm die Leitung eines Lehrstuhls für Chirurgie an der Universität Lemberg (poln. Lwów, heute L’viv in der Westukraine) übertragen. In Lemberg übte Rydygier eine intensive chirurgische, didaktische und wissenschaftliche Tätigkeit aus und in den Jahren 1901-1902 nahm er die Funktion des Rektors wahr. Im Jahr 1912 erfolgte die Herausgabe einer Sammlung seiner bisherigen wissenschaftlichen Arbeiten. Rydygier starb plötzlich und unerwartet am 25. Juni 1920 in Lemberg.

Im Jahr 1958 brachte die Gesellschaft Polnischer Chirurgen am Gebäude des Krankenhauses in Chełmno eine Gedenktafel in Erinnerung an die Verdienste Prof. Rydygiers an. Im Museum im alten Rathaus befindet sich eine Dauerausstellung, die Ludwik Rydygier gewidmet ist.