Schwetz an der Weichsel – Verlegung der Altstadt im 19. Jahrhundert

Der Teil von Schwetz an der Weichsel (Świecie nad Wisłą), den man heute als Altstadt wahrnimmt, ist relativ jung, weil er erst infolge einer vollständigen Verlegung der Stadt im 19. Jahrhundert entstanden ist.

Am ursprünglichen Standort, einer seit dem 13. Jahrhundert besiedelten feuchten Niederung, der bei hohem Wasserstand des Flüsschens Schwarzwasser und der unweit gelegenen Weichsel ständig Überschwemmungen drohten, war das Leben für die Einwohner zur Qual geworden. So starben in den Jahren 1831 bis 1848 viele Menschen an der Cholera.

Schwetz an der Weichsel

Deshalb trug man sich schon im frühen 19. Jahrhundert mit dem Gedanken, sich auf einem nicht vom Hochwasser bedrohten Gelände nördlich des bisherigen Ortes niederzulassen. 1830 richtete man, nachdem drei Jahre in Folge schwere Hochwasser Schwetz heimgesucht hatten, eine entsprechende Eingabe an den preußischen König. Weitere Überschwemmungen wurden in den Jahren 1837, 1841, 1844 und 1845 verzeichnet. Die Regierung gestattete jedoch erst 1857 die Verlegung, die ein Jahr später begann und erst 27 Jahre später abgeschlossen war.

König Wilhelm I. stellte Schwetz zunächst 20.000 Taler zur Verfügung, aber erst 1874, als die preußische Regierung der Stadt ein Darlehen in Höhe von 108.000 Mark gewährte, wurde das Großvorhaben beschleunigt. Dazu trugen auch weitere 90.000 Mark bei, die in Form von Bauprämien ausgezahlt wurden. Diese Prämien wurden Bürgern gewährt, die ihr altes Haus abrissen und ein ebenso großes in der neuen Stadt errichteten. Als Berechnungsgrundlage diente der Wert des bisherigen Hauses. Nach Abzug des Preises der nach dem Abbruch noch verwendbaren Baustoffe wurde dem Bauherrn ein Drittel des Hauswerts in Form dieses Zuschusses ausbezahlt.

Da ärmere Einwohner der Stadt trotz dieser Bauprämien aus eigener Kraft nicht in der Lage waren, sich neue Häuser zu bauen, wurden nach einem weiteren schweren Hochwasser im Frühjahr 1879 Spenden gesammelt, um diesen Menschen kostenlos Baugrundstücke zur Verfügung stellen zu können. Die Gesamtkosten der gesamten Umzugsmaßnahmen sollen rund 650.000 Mark betragen haben.

Im frühen 20. Jahrhundert wohnte bereits die gesamte Bevölkerung in der neuen Stadt. Markanteste Punkte der alten Stadt sind heute die Ruine der Deutschordensburg aus dem 14. Jahrhundert und die Pfarrkirche aus dem 15. Jahrhundert, die gegen Ende des Zweiten Weltkriegs schwer beschädigt und in den achtziger Jahren instand gesetzt wurde.

Ansonsten erinnert nur noch wenig an das “alte” Schwetz, weil sich im einstigen Stadtgebiet heute vor allem Kleingärten und vereinzelte Häuser aus neuerer Zeit befinden.

Quellen:

  • Wacław Wojciechowski, Świecie Pomorskie niegdyś a dzisiaj, Grudziądz 1912
  • Website der Stadtverwaltung Świecie

Ergänzung vom 11. Juli 2012:

Die Erstveröffentlichung dieses Beitrags ist am 12.01.2008 erfolgt. Vor einigen Tagen habe ich in der Elbinger Digitalbibliothek (Elbląska Biblioteka Cyfrowa) eine knapp 100 Seiten starke und sehr detaillierte Darstellung mit dem Titel „Die Verlegung der Stadt Schwetz aus der Weichselniederung auf die Höhen am linken Schwarzwasserufer (1830-1885)“ aus dem Jahr 1908, verfasst von Dr. Gustav Kötz, entdeckt. Zwar habe ich diese Quelle noch nicht in den vorstehenden Beitrag einfließen lassen können, möchte aber wegen der ausführlichen und zeitnahen Darstellung des „Umzugs“ der Altstadt von Schwetz durch Dr. Kötz gleich auf dieses Werk hinweisen.

Interessant ist auch ein dieser Publikation beigefügter „Situations-Plan der Stadt Schwetz“, gezeichnet vom Deichinspektor Westphal aus Culm am 3. September 1830 nach einer älteren Karte des Artillerie-Leutnants Pippow vom Mai 1810. So lässt sich die Lage und Gliederung der „alten“ Altstadt von Schwetz gut nachvollziehen. Im Kleinformat habe ich diesen „Situations-Plan“ in den Artikel eingefügt. Durch Klick auf die Abbildung oder diesen Link können Sie eine größere Ansicht aufrufen.

Geschichte der jüdischen Gemeinde

Die Geschichte der jüdischen Bevölkerung Culms war lange Zeit nicht im Detail erforscht worden. Im September 2007 ist das Buch Z dziejów gminy żydowskiej w Chełmnie /
From the history of Jewish community in Chełmno,
verfasst von der im städtischen Museum tätigen Historikerin Anna Soborska-Zielińska, erschienen, das einen Überblick über das Schicksal der jüdischen Gemeinde von Culm liefert.

Zusammenfassung des Inhalts:

Einleitend stellt die Autorin Erkenntnisse über den Aufenthalt Menschen jüdischen Glaubens in Culm (poln. Chelmno) seit dem Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert dar. Sie geht davon aus, dass die jüdische Gemeinde in Culm formell 1820 gegründet worden ist. 1839 wurde ihr die amtliche Genehmigung erteilt, eine Synagoge bauen zu dürfen. 1842 erwarb die Gemeinde dann einen Obst- und Gemüsegarten an der Querstraße (poln. ul. Poprzeczna). Dieser wurde mit einer benachbarten Parzelle zusammengelegt, die bereits 1834 von zwei Mitgliedern der jüdischen Gemeinde gekauft worden war, und diente als Baugrundstück. Bald darauf wurde die 18,86 m lange und 16,9 m breite Synagoge errichtet, von der leider keine Abbildungen erhalten sind. Bekannt ist lediglich eine Zeichnung der Vorderfront, die anlässlich eines Umbaus im Jahr 1911 entstand (im Buch abgebildet auf der Seite 90). Die Synagoge diente der jüdischen Bevölkerung des Kreises Culm sowie angrenzender Ortschaften. Das Buch enthält eine detaillierte Beschreibung des Einzugsbereichs. [S. 12-14]

In der Nähe der Synagoge befand sich an der Ritterstraße (ul. Rycerska) seit 1902 ein 6,70 x 3,10 m großes jüdisches Schlachthaus, in dem ein qualifizierter Schächter seine Arbeit verrichtete. [S. 13]

Lage des evangelischen und jüdischen Friedhofs in Culm (Chelmno) laut Katasterplan 1861-1903Es wird davon ausgegangen, dass die ersten Bestattungen auf dem jüdischen Friedhof in Culm im späten 18. oder frühen 19. Jahrhundert erfolgten. Dieser erstreckte sich mit einer Breite von 31-33 m und einer Länge von 143,6 m an der damaligen Ackerstraße (poln. ul. Rolna, heute ul. Powstancow Wielkopolskich), an der sich auch der Eingang befand. Im Jahr 1906 wurde seine Fläche mit 4463 qm angegeben. 1895 wurde ein 17,6 m langes und 9,6 m breites Taharahaus errichtet, in dem die Verstorbenen nach jüdischem Ritus auf die Bestattung vorbereitet wurden. Eine Zeichnung des Taharahauses aus den Akten der preußischen Baubehörde ist ebenso erhalten geblieben wie eine Darstellung eines Grabmals für Saling Lazarus, der die Geldmittel für den Bau des Taharahauses bereitstellte und im selben Jahr eine Ruhestätte für seine Familie errichten ließ. Die Zeichnungen sind im Buch auf den Seiten 89 und 91 dargestellt. [S. 14-15]

Die Zerstörungswut der nationalsozialistischen Besatzer, die dafür sorgten, dass sowohl Synagoge als auch der Friedhof der jüdischen Gemeinde vollkommen aus dem Stadtbild verschwanden, überdauert hat das 1865 errichtete Haus an der heutigen ul. Dominikanska 7, in dessen Kellerräumen die Mikwe, also das rituelle Tauchbad der jüdischen Gemeinde Culms, untergebracht war. 1919 verkaufte die Gemeinde das Haus, wahrscheinlich deshalb, weil viele Gemeindemitglieder im Vorfeld der Eingliederung der Stadt in den jungen polnischen Staat nach Deutschland zogen und die Unterhaltung des Gebäudes zu teuer wurde. [S. 15]

Anna Soborska-Zielinska befasst sich in ihrem Buch weiter umfassend mit dem Besuch Culmer Schulen durch jüdische Kinder und Jugendliche. [S. 15 ff] Auf den Seiten 113 – 127 befindet sich eine detaillierte Aufstellung der Schüler jüdischen Glaubens, die in den Jahren 1837 bis 1939 das Gymnasium in Culm besucht haben.

In den folgenden Kapiteln ihrer Publikation stellt die Autorin die soziale und gesellschaftliche Situation der jüdischen Bevölkerung im 19. Jahrhundert und frühen 20. Jahrhundert näher dar. Abgedruckt sind u.a. eine Aufstellung jüdischer Bürger der Stadt aus dem Jahr 1832 sowie ein Verzeichnis jüdischer Geschäftsinhaber aus dem Jahr 1937. An vielen Einzelbeispielen beschreibt Anna Soborska-Zielińska, welchen Berufen jüdische Einwohner nachgingen. [S. 19 ff]

Erhalten haben sich Informationen über das politisch-gesellschaftliche Engagement jüdischer Bürger zur preußischen Zeit. So war der 1895 verstorbene Bankier Arnold Ruhemann viele Jahre lang Mitglied des Stadtrats und sogar Ratsvorsitzender. 1909 waren von 36 Ratsmitgliedern fünf jüdischen Glaubens. Elf Männer dienten während des Ersten Weltkriegs in der deutschen Armee und starben infolge von Kriegsverletzungen. Ab 1920 kamen die männlichen Mitglieder der jüdischen Gemeinde ihrer Wehrpflicht in der polnischen Armee nach. [S. 21 ff]

Weiter beschreibt Anna Soborska-Zielinska das polnisch-jüdische Verhältnis in den Zwischenkriegsjahren, insbesondere nennt sie Beispiele und Gründe für antisemitische Haltungen. Sie erwähnt, dass diese auch in der Presse zum Ausdruck kamen. [S. 24 f]

Zur Ergänzung der Ausführungen der Autorin möchte ich bei dieser Gelegenheit auf zwei Artikel aus der Tageszeitung „Goniec Nadwislanski“ hinweisen, auf die ich zufällig gestoßen bin: Die Zeitung lobt in ihrer Ausgabe vom 28.12.1927 in einer kurzen Meldung den Cafebesitzer Władysław Frackowiak für den Kauf des Hauses an der ul. Rybacka 7, für das sich offenbar seit längerer Zeit jüdische Geschäftsleute interessiert hatten. Dem polnischen Erwerber gebühre „aufrichtige Anerkennung“ für den Erwerb „dieses vom Übergang in uns feindliche jüdische Hände bedrohten Hauses“, kommentiert die Zeitung. Am 18.11.1927 wiederum rügt die Zeitung einen namentlich genannten polnischen Hauseigentümer aus Culm, weil er Geschäftsräume an einen jüdischen Kaufmann vermietet hatte. Auch die Vermietung einer Wohnung an eine jüdische Familie durch einen anderen Einwohner der Stadt wird mit scharfen und klar antisemitischen Worten von der Zeitung kritisiert.




Die Seiten 25 bis 31 enthalten statistische Daten über die jüdische Bevölkerung Culms. Im Jahr 1816 sind 42 der 3525 Einwohner der Stadt Culm jüdischen Glaubens. Im Laufe der nächsten Jahrzehnte nimmt die Einwohnerzahl bis 1864 auf 8262 zu. Davon sind 520 Juden. Ihre Zahl geht danach zurück. 1910 werden nur noch 248 Personen jüdischen Glaubens verzeichnet. Nach der Eingliederung Culms in den wieder erstandenen polnischen Staat wandern viele Mitglieder der jüdischen Gemeinde nach Deutschland, Danzig oder Amerika aus. 1921 zählt die Gemeinde 77 und 1923 nur noch 39 Mitglieder. Sechs Jahre später sind es 44.

Die Seiten 32 und 33 sind der Organisation der jüdischen Gemeinde gewidmet, deren wichtigste Organe von 1847 bis 1928 ein dreiköpfiger Vorstand und ein Gemeinderat mit neun Mitgliedern waren, die alle sechs Jahren neu gewählt wurden. Für einige Kadenzen ist die namentliche Zusammensetzung dieser Gremien bekannt. Bis 1932 blieb die jüdische Gemeinde in Culm selbständig. Angesichts der abnehmenden Mitgliederzahl besaß sie in der Zwischenkriegszeit keinen Rabbiner mehr und wurde schließlich 1932 der Gemeinde in Graudenz (Grudziadz) angeschlossen.

Überliefert sind die Namen von drei Rabbinern der Culmer Gemeinde: Ab 1861 (vielleicht auch schon früher) übte Dr. Fabian Feilchenfeld, Religionslehrer am Culmer Gymnasium, diese Aufgabe aus. Seine 1861, 1864 und 1869 geborenen Söhne besuchten diese Lehranstalt. Sein Nachfolger wurde Dr. Moritz Salzberger (Vater von Georg Salzberger), der ab 1878 am Gymnasium unterrichtete, bis er 1886 nach Erfurt zog. Ebenfalls als Religionslehrer am Gymnasium tätig war ab 1887 Dr. Moritz Guttmann, dessen beiden Söhne dort zur Schule gingen. Guttmann verstarb 1914 in Culm.

Mit dem Zweiten Weltkrieg und der nationalsozialistischen Besatzung endet die Geschichte der jüdischen Gemeinde Culms auf tragische Weise. In den ersten Monaten nach der Okkupation Polens, also im Herbst 1939, kommt es zu planmäßig durchgeführten Verhaftungen und der Ermordung von Menschen, die der polnischen Intelligenz zugerechnet wurden, aber auch Menschen jüdischer Abstammung (vgl. hierzu das Kapitel Vernichtungsmaßnahmen im Beitrag Die nationalsozialistische Okkupation Kulms 1939-1945). Die meisten der in Culm wohnenden Juden – einige konnten fliehen und kamen schließlich ins Warschauer Ghetto – wurden im Wald bei Klamry ermordet, nämlich Artur Breslauer, Paula Bukowcer, Berta, Dora und Szmul Cuker, Izydor und Jenny Feibel, Maks und Minna Feibus, Selma und Zygfryd Ginzel sowie ihr Sohn, Artur und Jenny Loewenberg, Frieda Reinfeld, Regina und Szmul Rein sowie Szymon Wejner (S. 34 oben).

Auf der Seite 33 erinnert die Autorin daran, dass vor ihrer Ermordung jüdische Einwohner Culms von Deutschen durch die ul. Rycerska und ul. Torunska getrieben und gezwungen wurden, auf dem Marktplatz mit Löffeln Unkraut aus den Fugen des Kopfsteinpflasters zu kratzen.

Ende Oktober oder Anfang November 1939 sprengten die Deutschen die Synagoge und verbaten der Feuerwehr, den ausgebrochenen Brand zu löschen. Noch verwendbares Baumaterial wurde verkauft. So erwarb der Landwirt Teodor Brüggemann aus Dorposz am 4. November 1939 Ziegel für den Bau eines Stalls. Das Grundstück wurde vollkommen geräumt, um jedwede Spuren, die an die Synagoge erinnern könnten, zu beseitigen. Zunächst wurde hier ein Kinderspielplatz angelegt, später entstanden Garagen (Nachtrag vom 13.07.2012: Die Lage der Synagoge wird in folgendem Beitrag beschrieben: Standort der 1939 zerstörten Synagoge in Chełmno).

Von der Bildfläche verschwinden sollte auch der jüdische Friedhof. Selbst aus seiner Auflösung schlug die NS-Verwaltung noch wirtschaftlichen Profit, verkaufte nämlich die Grabsteine aus Granit an den Steinmetz Jacob Job aus Bydgoszcz. Das Friedhofsgelände wurde eingeebnet und für den Bau von Mehrfamilienhäusern ausgewiesen. Diese Arbeiten liefen bis Anfang 1943. Am 24. Januar 1944 wurde die 4463 qm große Fläche für 6694,50 Reichsmark an die Neue Heimat Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft der Deutschen Arbeitsfront im Gau Danzig-Westpreußen verkauft.

Auf den Seiten 35-36 beschreibt Anna Soborska-Zielinska das Engagement der Familie Kaczmarek, die in der ul. Rycerska wohnte und 1943 das jüdische Mädchen Rebeka Motyl aufnahm, dessen Mutter kurz nach Kriegsausbruch von den Deutschen ermordet worden war und dessen Vater auf der ständigen Flucht einen sicheren Ort für Rebeka und ihren Bruder Mieczyslaw suchte. Die Familie Motyl wohnte vor dem Krieg in Golub, rund 60 km von Culm (Chelmno) entfernt. 1943 wurden schließlich dort die beiden Kinder von Jozef Matuszewski aufgenommen, der jedoch fürchtete, dass die Kinder in ihrer Heimatstadt erkannt werden könnten. Daher brachte er Mieczyslaw bei der Familie seiner Ehefrau in der Nähe von Cekcyn unter, Rebeka hingegen bei seiner Schwester Wladyslawa, die mit ihrem Ehemann Franciszek und der Tochter Teresa in Culm wohnte. Es gelang, für Rebeka falsche Ausweispapiere auf den Namen Regina Kwiatkowska zu beschaffen und am 20. Januar 1944 wurde Rebeka als „Regina“ behördlich gemeldet. Da das Mädchen bald das schulpflichtige Alter erreicht hatte, wurde Franciszek Kaczmarek mehrmals vorgeladen, konnte jedoch die ihn befragenden Beamten überzeugen, dass es sich um das Kind entfernter Verwandter handele, die durch Kriegseinwirkungen ums Leben gekommen seien. Gefährlich war zudem der Umstand, dass das Haus der Kaczmareks in der ul. Rycerska an das des SS-Mitglieds Plotzke grenzte, dessen Kinder sogar mit „Regina“ auf dem Hof zusammen spielten. Jedoch blieb die wahre Identität „Reginas“ bis zum Abzug der deutschen Besatzer unentdeckt. Ihr Vater erschien zwar nach Kriegsende in Culm, verließ die Stadt dann aber wieder, ohne dass sein weiteres Schicksal bekannt ist. Danach bot sein Bruder Samuel an, Rebeka aufzunehmen, jedoch wollte das Mädchen bei den Kaczmareks bleiben, für die sie mittlerweile wie eine zweite Tochter war. Schließlich wurde Rebeka jedoch von Vertretern der jüdischen Gemeinde in Polen abgeholt und kam gemeinsam mit ihrem Bruder Mieczyslaw über die Tschechoslowakei und Deutschland nach Frankreich. Noch 1947 schickte Rebeka ihrer Pflegefamilie Briefe nach Polen. Schließlich wanderte sie nach Israel, ihr Bruder in die USA aus. 1991 besuchte Rebeka zum ersten Mal nach langen Jahren Polen und traf auch Wladyslawa und Teresa Kaczmarek, die am 3. Dezember 1991 in Warschau ebenso wie der zu diesem Zeitpunkt bereits verstorbene Franciszek Kaczmarek für die Rettung Rebeka Motyls mit dem Titel „Gerechter unter den Völkern“ ausgezeichnet wurden.

Im Folgenden enthält das Buch eine ausführliche Beschreibung des Verlaufs der Veranstaltung Pamięć i Tolerancja (Gedächtnis und Toleranz), die am 12. und 13. Mai 2007 in Chelmno und Swiecie stattfand und vor allem dem Gedenken an die jüdischen Gemeinden der beiden Weichselstädte diente.

Das Buch beruht auf eingehenden Recherchen und enthält viele Detailangaben wie beispielsweise viele Namen jüdischer Einwohner der Stadt, deren Nennung den Rahmen der obigen Zusammenfassung sprengen würde.

Kartenausschnitt mit Lage des jüdischen Friedhofs aus: Czacharowski, Antoni (Hrsg.), Atlas historyczny miast polskich, Tom I, Prusy Królewskie i Warmia, Zeszyt 3 Chełmno [Historischer Atlas polnischer Städte, Band I, Königliches Preußen und Hochstift Ermland, Heft 3 Kulm], Toruń 1999

[Erstveröffentlichung dieses Beitrags: 18.02.2008]

Adressbuch 1941

Nach dem Adressbuch 1928 und dem Telefonbuch 1939 habe ich die die Stadt Chełmno (amtliche Bezeichnung während der Besatzungszeit: Kulm an  der Weichsel) betreffenden Einträge aus einem in der Digitalen Bibliothek Kujawien-Pommern verfügbaren Adressbuch von 1941 (Deutsches Reichs-Adressbuch. Die Ostgebiete : Reichsgau Danzig-Westpreussen, Reichsgau Warthenland, Provinz Oberschlesien, Reg.-Bez. Zichenau und Landkreis Suwalki, Ortsverzeichnis, Branchenverzeichnis) in die folgende Aufstellung übernommen, deren Reihenfolge der des Originals entspricht. Die Schreibweise habe ich im Wesentlichen beibehalten.

Die Abkürzung „FT“ bedeutet Fernsprechteilnehmer und steht vor der jeweiligen Telefonnummer, „Ps“ Postscheckkonto, „Da.“ Danzig und „Bn.“ Berlin.

Obwohl dieses Behörden- und Branchenverzeichnis aus der Zeit der deutschen Besatzung Polens den Titel „Reichs-Adressbuch“ trägt, sind bei den einzelnen Einträgen leider keine Adressen angegeben. Die Stadt Chełmno ist unter Kulm (Weichsel) auf den Seiten 105 und 106 dieses „Reichs-Adressbuchs“ zu finden.

7. Juli 2012  – Andreas Prause


KULM (Weichsel). Kreisstadt. (…)

Behörden:
Reichsbahnbetriebsamt
Staatl. Gesundheitsamt
Wehrmeldeamt
Arbeitsamt-Nebenstelle
Kreisschulamt
Finanzamt
Vermessungsamt
Wasserstrassenamt

Schulen:
Gymnasium
Herm.-Löns-Oberschule

Kirchen:
1 evang.
3 kath.

Bürgermeister: Buchwald
Gas- und Wasserwerk: Städtisch
Krankenhaus: Kreiskrankenhaus, Chefarzt Dr. Krings (Chir.)
Schlachthof: Pröbsting
Feuerwehr: Wehrführer Bergmann
Deutsche Rote Kreuz – Bereitschaft: Dr. Krings

Eingetragene Firmen:
Chmurzynski, Josef, Gurkeneinlegerei, FT 165
Deutsche Volksbank EGmbH, Bromberg, Zweigstelle Kulm a. W., Geldinstitut, FT 75, Ps 2670 Da.
Fitzermann, Gebr. (Treuhänder Gg. Donath), Korbwarenfabrik, FT 85
Huth, Hans (Hans H.), Drahtwarenfabrik, FT 68, Ps 4549 Da.
Kulmer Dampfziegelei Lothar Rost, Ziegelei, FT 158
Kulmer Stadtdruckerei Fritz Ring, Buchdruckerei, FT 158
Kulmer Zeitung GmbH, FT 140
Kürbis & Co., Erich, Handelsvertreter, FT 80
Lehmann, Günter, Fassbänder u. –reifen, FT 84, Ps 112566 Bn.
Lemon, Johannes (Gebr. L.), Spediteur, FT 46
Marienmühle A. Meseck & W. Schultze (Arthur Schmidt u. W. Schultzes Erben), Mühle u. Sägewerk, FT 18, Ps 4445 Da.
Reiss, Oskar, Kolonialwarengrosshandlung, FT 128
Thiel & Co., Malzfabrik, FT 21
„Unia“ vorm. R. Peters (Treuhänder Rud. Peters), Landwirtschaftl. Maschinenhandlung, FT 20
Warengenossenschaft Raiffeisen EGmbH, Landesprodukte, FT 26
Ziegelei Saturn (Fritz Kiepert), FT 41

Aerzte:
Draczkowski
Pohlmann, Friedr.

Zahnärzte:
Falst, Werner

Tierärzte:
Pröpsting
Rosenkrantz, Herbert

Apotheken:
Hempel, Gerd (Ratsapotheke), FT 161

Bäcker:
Derra
Drozdowski, Alwin
Franz, Roh, FT 156
Gurkiewicz, Leo
Menz, Ad.
Musall, Aug.
Neske, Ewald, FT 90
Ragoss, Erich,
Schwichtenberg, Erich, FT 144

Baugeschäfte:
Parpart, Hugo
Ragoss, Erwin, FT 159

Baustoffhandlung:
Frucht, Fritz, FT 38, Ps 4556 Da.

Biergrosshandlung:
Erdmann, Theodor, FT30

Brennmaterialien:
Frucht, Fritz, FT 38, Ps 4556 Da.
Wedel, Ernst, FT 14

Buchdruckereien:
Bingke, Wilh.
Kulmer Stadtdruckerei Ring, Fritz

Buchhandlung:
Bromundt, Wilh., FT 149

Dachdecker:
Robin, Max
Brosowski, Alex
Nowacki, Franz

Dentisten:
Klebba, Herbert, Ps 4375 Da.
v. Dessonneck, Hans-Georg, Ps 4251 Da.

Drahtwarenfabriken:
Huth, Hans

Drogenhandlung:
Klomfass, Bruno (Central-Drogerie)

Eisen- u. Stahlwarenhandlung:
Golebiewski, S., FT 15
Reiss, Werner, FT 152

Elektrische Installationen:
Ciechanowski, Theo
Groschewski, Frz.
Kunz, Hans, FT 11
Slomkowski, Leo

Färbereien u. Druckereien:
Steffen, Eduard, FT 74

Fassbänder u. – reifen:
Lehmann, Günter

Fleischer:
Dembeck, Lor.
Flöter, Ewald
Frackowski, Joh.
Grzywaczenski, Frz.
Hoppe, Frz.
Kensik, Karl
Patzke, Erwin
Perschke, Theodor
Pofelski, Jul.
Pohl, Herb., FT 96
Schönrock, Otto
Slomski, Wladisl.
Wojciechowski, Leo

Friseure:
Beyer, Willi
Borowski, St.
Epding, Alw.
Jakubowski, M.
Kwas, Leop.
Schmantz, Gottl.
Zlelewski, Frz.

Fuhrwesen (Auto):
Werwitzki, Otto, FT 1

Geldinstitute:
Deutsche Volksbank EGmbH
Kreissparkasse, FT 50, Ps 1177 Da.

Glaser:
Kawecki, Frz.

Glas- und Porzellanwarenhandlung:
Becker, Wilh., FT 51

Gurkeneinlegereien:
Chmurzynski, Josef, FT 165

Handelsvertreter:
Kürbis & Co., Erich (Landesprodukte)

Hebammen:
Ringel, Betty, FT 160

Hotels u. Gasthöfe:
Bahnhofshotel (Paul Subkowitz), FT 165
Pelzer, Bruno, FT 141
Schalwicki, Paul, FT 61
Wohlert, Willy

Klempner:
Habendorf, Herm., FT 97
Knopf, Alois
Zander, Alb.

Kohlengrosshandlung:
Wedel, Ernst, FT 14

Kolonialwarengrosshandlung:
Reiss, Oskar

Kolonialwarenhandlung:
Bunk, Otto, FT 95
Chlosta, Jos.
Filarski, Alex, FT 73
Kasztellan, Jos.
Kraftke, Gertrud
Neumann, Hch.
Prelowski, Thomas
Ross, Willy, FT 79
Schalwicki, Paul, FT 61
Stroinski, Jos.
Strzenkowski, W.
Swietlik, Maria
Szalwicki, Paul
Trykowski, Alf.
Winiarski, Emilie
Winkowski, Gg.
Wittek, Alfr.
Ziolkowski, Stanislawa

Konditoreien:
Nielson, Arthur, FT 104
Pelzer, Bruno, FT 141

Korbwarenfabriken:
Fitzermann, Gebr. (Treuh. Gg. Donath)

Landesprodukte:
Landwirtschaftliche Grosshandelsges. mbH (Zentrale in Danzig), FT 26
Warengenossenschaft Raiffeisen EGmbH

Landwirtschaftl. Maschinenhandlung:
„Unia“, vorm. Peters, R.

Lichtspieltheater:
„Appollo“ (Leitreiter)

Likörfabriken:
Priebe, Walter, FT 49

Malzfabriken:
Thiel & Co.

Manufaktur- und Modewarenhandlung:
Altendorf, Theod., FT 5
Hohensee (Adolf-Hitler-Platz)
Hohensee (Wasserstr.)
Muziol, Max, FT 69
Scheffler, Otto, FT 129

Maurermeister:
Rosinski, Johann

Mechaniker:
Granowski, Alb.

Mühlen (Getreide):
Marienmühle A. Meseck & W. Schultze

Obstbaubetriebe:
Kalweit, Ernst, Ps 2752 Da.

Photograph. Ateliers:
Kawala, Fr.
Lamanski, Florian

Restaurationen:
Badziong, Leonh.
Fiebig, Adolf
Filarski, Alex
Janeczkowski, Leo
Kaczinski, Thom.
Supkowitz, Paul

Rohprodukte:
Seidel, Elfriede, FT 62

Rundfunkapparatehandlung:
Kurz, Hans, FT 11

Sägewerke:
Marienmühle A. Meseck & W. Schultze
Schönauer Mühlen- u. Sägewerke AG [Treuh. Georg Schauer] (Zentr. in Schönau), FT 24

Sattler:
Bartsch, Ferd.
Buller, Gust.
Marx, Leop.

Sauerkrautfabrik:
Chmurzynski, Josef

Schiffahrtsgesellschaften:
Bromberger Schleppschiffahrt AG (Zentrale in Bromberg), FT 93

Schlosser:
Bunn, Otto u. Walter
Eblowski, St.
Kalweit, Walter
Leitreiter, Bruno, FT 16
Schipper, Leo
Tobolski, Joh.

Schmiede:
Büttner, Joh.
Jakala, St.
Pohl, Willy
Röhr, Kurt

Schneider:
Badziong, Sigism.
Badziong, Wladis.
Bergmann, Ernst
Brzeznikowski, Bernh.
Czarnecki, Max
Dewner, Willy
Gaca, Ant.
Ganasinski, Joh.
Gesicki, Wladisl.
Hahn, Ferd.
Olszewski, Ignatz
Ostrowski, Ant.
Palmowski, Felix
Ryzkowski, Anton

Schneiderinnen:
Franz, Hedwig
Rekowski, Anna
Schulz, Else

Schokoladen- und Zuckerwarenhandlung:
Lukullus Zucker- und Schokoladenfabrik Franz Lehmann (Zentrale in Bromberg), FT 142

Schornsteinfegermeister:
Cziba, Wilhelm
Grustmann, Wladisl.
Lewandowski, Bruno
Meinhold, Frz.
Mickiewicz, K.

Schuhhandlung:
„Bata” Schuh- u. Lederwerke AG (Zentrale in Chelmek O./S.) [Kom. Verw. Heinz Mahnkopf]

Schumacher:
Abraham, Max
Reczinsky, Joh.
Berger, Bruno
Gatkiewicz, Stanisl.
Prüfer, Gust.
Reiske, Joh.
Stalmierski, Frz.
Szewczykowski, Frz.
Therl, Joh.

Spediteure:
Lemon, Johannes

Stellmacher:
Orlikowski, Emil

Strumpf- und Wollwarenhandlung:
Altendorf, Theod.
Marohn, Gertrud
Romalm, K.

Tischler:
Hinz, Erich, FT 145
Wedel, Eduard, FT 92, Ps 4235 Da.

Töpfer:
Czarnecki, Jos.
Czaster, Konstant.
Dwinsky, Ant.
Jordan, Otto
Templin, Stanisl.

Viehhandlung:
Seidel, Karl, FT 62

Weinhandlung:
Okomar, Franz, FT 175

Ziegeleien:
Kulmer Dampfziegelei Lothar Rost
Ziegelei Saturn

Zigarrenhandlung:
Fiebig, Ad.
Okomar, Franz, FT 175
Supkowitz, Paul

Zimmermeister:
Parpart, Hugo

Katyń-Denkmal

Der berühmte Regisseur Andrzej Wajda hat in seinem 2007 produzierten Film Katyń ein Ereignis und seine Nachwirkungen verarbeitet, das sich tief ins Bewusstsein der polnischen Gesellschaft eingebrannt hat.

Katyn-Denkmal in Chełmno Mit einem geheimen Zusatzprotokoll zum später als Hitler-Stalin-Pakt bezeichneten Nichtangriffsvertrag vom 23. August 1939 hatten das Dritte Reich und die Sowjetunion ihre Interessensphären in Polen abgesteckt. Nach dem Überfall Deutschlands auf Polen am 1. September 1939 und dem für die polnische Bevölkerung überraschenden Einrücken der Sowjetarmee am 17. September 1939 in Ostpolen wurde diese vierte Teilung Polens durch den sog. deutsch-sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrag am 28. September 1939 besiegelt. Durch das relativ schnelle Vorrücken der deutschen Armeen hatte sich das Kriegsgeschehen ab Mitte September vorwiegend nach Ostpolen verlagert. Dadurch kamen viele polnische Armeeangehörige und Polizeibeamte in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Das Politbüro der KPdSU erließ im Frühjahr 1940 den Befehl, tausende polnische Gefangene durch den sowjetischen Geheimnis NKWD hinrichten zu lassen. Ihre Leichen wurden an verschiedenen Stellen in Massengräbern verscharrt.

Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion und der Besetzung sowjetischer Gebiete entdeckten Wehrmachtsangehörige im Februar 1943 in einem Waldgebiet bei der Ortschaft Katyń nahe Smolensk Massengräber mit Leichen polnischer Offiziere. Die Polnische Exilregierung forderte darauf eine internationale Untersuchung der Funde, wodurch es zu ihrem Bruch mit Moskau kam. Die Nationalsozialisten nutzten das Massaker von Katyń zu gegen die Sowjetunion gerichteten Propagandazwecken und gestatteten einer internationalen Untersuchungskommission, die unter anderem mit Gerichtsmedizinern besetzt war, die Massengräber in Augenschein zu nehmen. Diese kam zum Schluss, dass die Tötungen der polnischen Offiziere im Frühjahr 1940 erfolgt waren.
Nachdem die Rote Armee Ende 1943 die deutschen Truppen zurückgedrängt hatte, führte die Sowjetunion eine erneute, ihrer Propaganda genehme, Untersuchung durch, die einen späteren Todeszeitpunkt (Herbst 1941) feststellte und den Massenmord dem Dritten Reich anlastete.

Die nationalsozialistische Täterschaft war bis zur Wende 1989/90 Gegenstand der offiziellen Geschichtsschreibung in der Sowjetunion und den anderen Ostblockstaaten. Erst 1990 gestand die Sowjetunion ihre Verantwortung ein. Im Oktober 1992 ordnete der russische Präsident Jelzin an, Polen Kopien von noch vorhandenen Dokumenten über das Massaker zu überlassen, die anschließend sowohl in Polen als auch in Russland veröffentlicht worden sind. Bis heute laufen historische Forschungen, weil die Geschehnisse vom Frühjahr 1940 bisher nicht im Detail aufgeklärt werden konnten.

Auch in Polen konnte über die wirklichen Täter der Massenexekutionen in der Nachkriegszeit nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen werden. Besonders deshalb ist bis heute das Bedürfnis nach vollständiger Aufklärung der Vorgänge und nach einer Erinnerung an die Opfer besonders groß. So hat das polnische Parlament am 14. November 2007 beschlossen, den 13. April als Gedenktag für die Opfer der Verbrechen von Katyń zu begehen.

Mit Katyń verbindet sich ein weiteres tragisches Ereignis der jüngsten polnischen Geschichte, bei dem 96 Menschen starben. Die Passagiere der am 10. April 2010 beim Landeanflug auf den Militärflugplatz Smolensk-Nord abgestürzten polnischen Regierungsmaschine, unter anderem Staatspräsident Lech Kaczyński, seine Ehefrau Maria, der letzte Staatspräsident der Polnischen Exilregierung Ryszard Kaczorowski, hohe Offiziere sowie Vertreter von Parlament, Regierung, Behörden, Glaubensgemeinschaften und Verbänden, waren anlässlich des 70. Jahrestages des Massakers auf dem Weg zu einer Gedenkveranstaltung auf dem Soldatenfriedhof Katyń.

In Culm (Chełmno) erinnert an die aus der Stadt stammenden Offiziere, die 1940 in der Sowjetunion ermordet worden sind, unter anderem ein am 24. Juni 1995 enthüllter Gedenkstein auf dem Platz vor der Garnisonskirche. Dieser enthält in polnischer Sprache folgende Inschrift:

Den Soldaten der Culmer Garnison, nämlich des 66. Kaschubischen Infanterieregiments und des 8. Kavallerieschützenregiments, die vom NKWD im Jahr 1940 in Katyń und an anderen Hinrichtungsstätten während des Zweiten Weltkriegs ermordet worden sind.

Folgende Offiziere der genannten Regimenter, die in Culm stationiert waren, gehören zu den Opfern von Katyń:

66. Kaschubisches Infanterieregiment
Rafał Sołtan
Jerzy Jeleniewicz
Józef Kordasiewicz
Stanisław Podwiński
Józef Ruszar
Władysław Dworczak
Tadeusz Gąsiorowski
Eugeniusz Rykowski
Jerzy Terlicki
Antoni Boczek
Józef Grzanka
Szczepan Eugeniusz Łuczak
Ludwik Młynarczyk
Józef Wawrzyniak
Edmund Wróblewski
Michał Frank
Izydor Janca
Mieczysław Nierzwicki
Leon Porasiński
Paweł Przytuła

8. Kavallerieschützenregiment
Jerzy Staniszewski
Arkadiusz Dejewski
Julian Janas
Kazimierz Duczko
Ignacy Prądzyński
Tadeusz Sikorski

Offizier der Staatspolizei
Witold Nowakowski

Den Offizieren des 66. Kaschubischen Infanterieregiments wurde darüber hinaus eine am 21. Juni 1998 enthüllte Gedenktafel gewidmet, die sich im Innern der Garnisonskirche befindet.

Wie sehr die verbrecherische Kooperation der totalitären Nachbarmächte Polens Einfluss auf das Schicksal einzelner polnischer Familien hatte, zeigt das tragische Lebensende von Jan Nierzwicki (Vater) und Mieczysław Nierzwicki (Sohn).

Der 1874 geborene Zahnarzt Jan Nierzwicki hatte sich nach seinem Studium in München in Culm niedergelassen und engagierte sich noch zu preußischer Zeit in polnischen Organisationen. Während der Zwischenkriegsjahre setzte er sein umfangreiches gesellschaftliches und politisches Engagement fort. Insbesondere hat er als Heimatforscher mehrere Publikationen veröffentlicht, die unter anderem der Geschichte der Kirchengemeinde und der des örtlichen Gymnasiums gewidmet sind.

Zur örtlichen polnischen Führungsschicht zählend, deren Auslöschung sich die Nationalsozialisten zum Ziel gemacht hatten, wurde er kurze Zeit nach der deutschen Besetzung Polens inhaftiert und am 5. November 1939 in Klamry ermordet.

Familiengrab Nierzwicki in ChełmnoSein 1915 in Culm geborener Sohn Mieczysław, der 1934 am örtlichen Gymnasium seine Abiturprüfung bestanden und als Buchhalter in der Przechowo-Młyny i Tartaki S.A. in Przechowo unweit seiner Heimatstadt gearbeitet hatte, wurde als Reserveoffizier dem 66. Kaschubischen Infanterieregiment zugeteilt und gehört zu den Opfern von Katyń.
An Vater und Sohn erinnern Gedenktafeln am Familiengrab auf dem katholischen Friedhof in Culm.


Quellen:

  • Anna Soborska-Zielińska, Pomnik Katyński, in: Chełmińskie pomniki i tablice pamiątkowe, Chełmno 2001, S. 186 ff
  • Anna Soborska-Zielińska, Tablica pamiątkowa poświęcona oficerom 66 Kaszubskiego Pułku Piechoty im. Marszałka Józefa Piłsudskiego pomordowanym w 1940 roku przez NKWD w Katyniu i innych miejscach kaźni, in: Chełmińskie pomniki i tablice pamiątkowe, Chełmno 2001, S. 200 ff
  • Stefan Rafiński, Chełmiński Słownik Biograficzny, Chełmno 2006, S. 131

Schotten in Culm

Religiös bedingte Verfolgung in ihrer Heimat, aber auch das Streben nach wirtschaftlichem Erfolg veranlassten viele Schotten, ab dem 16. Jahrhundert ihr Glück auf dem europäischen Festland zu suchen. So siedelten sich schottische Familien auch im Weichselraum an, und zwar Protestanten vornehmlich in Danzig (Gdańsk) und Elbing (Elbląg), katholische Schotten unter anderem in der seit 1505 den Culmer Bischöfen gehörenden Stadt Culm, in der Katholiken besonders willkommen waren. Die Bischöfe bekämpften im 16. Jahrhundert die Reformation. Bischof Piotr Kostka (1574-1595) ordnete 1580 sogar an, dass diejenigen Einwohner protestantischen Glaubens, die sich nicht zum Katholizismus bekehren, die Stadt verlassen müssen. Erst 1678 garantierte Bischof Jan Małachowski Protestanten eine freie Ausübung ihrer Religion, um die Zuwanderung von Handwerkern aus Westeuropa zu fördern.
Sich in Culm niederlassende schottische Einwanderer integrierten sich schnell in die Gesellschaft. Einige von ihnen übernahmen führende Positionen im städtischen Leben. Einige Epitaphe (Gedenktafel für Verstorbene) in der Culmer Marienkirche erinnern an schottische Familie, die eine herausragende Stellung in der Stadt einnahmen.

Familie Forbes
Der 18-jährige Kaufmann Walter Forbes ließ sich 1696 in Culm nieder und war von 1725 bis 1733 gleichzeitig Ratsherr und Bürgermeister. Sein Vater war ein Grundbesitzer aus Roundlichnet in der Grafschaft Aberdeen. Sein Großvater mütterlichseits stammte ebenfalls aus dieser Region und besaß ein Gut in Bortie. Eine seiner Großmütter war Małgorzata Smith, die Tochter des Grundbesitzers Jakób Smith aus Rothiebeisben bei Aberdeen. Vermutlich waren es Mitglieder der bereits zuvor in Culm ansässigen Familie Smith, die Walter Forbes veranlassten, seine Heimat zu verlassen.
Sein Sohn Bałtazar war von 1719 bis 1721 in Culm als Richter tätig.
Walter Forbes’ Enkel Jerzy übte das Amt des Bürgermeisters aus, und zwar in den Jahren 1747 bis 1755. Er wurde 53 Jahre alt. Zwölf Jahre nach seinem Tod am 6. Oktober 1757 wurde in der Marienkirche ein Epitaph geschaffen.
Józef Forbes war in Culm von 1771 bis 1772 Richter und gehörte von 1769 bis 1774 dem Rat an.

Familie Czatter
Jan Czatter war von 1710 bis 1737 Bürgermeister von Culm, Piotr Dominik Czatter Ratsherr und Bürgermeister von 1761 bis 1769. Es bestanden verwandtschaftliche Beziehungen zur Familie Smith. Für die Familie wurde um das Jahr 1725 ein Epitaph in der Marienkirche aufgestellt.

Familie Smith
Der 1685 geborene Jan Smith übte von 1704 (oder 1707) bis 1712 das Amt des Bürgermeisters aus. 1704 heiratete er Elżbieta Schulz. Er verstarb 1721 und wurde mit einem Epitaph in der Marienkirche verewigt. Sein Sohn Jerzy Smith war 1719 Richter, gehörte von 1713 bis 1737 dem Rat an und war von 1733 bis 1736 auch Bürgermeister.

Familie Walter
Der 1626 geborene Tomasz Walter kämpfte im Zweiten Schwedischen Krieg und wurde 1660 Bürgermeister von Culm. Bereits sein Vater Jerzy übte in der Stadt die Funktion eines stellvertretenden Bürgermeisters aus und sorgte 1644 für eine Instandsetzung der heute nicht mehr vorhandenen Georgskirche in der Graudenzer Vorstadt. Tomasz Walter stellte 1675 sein Haus am Markt (Ecke ul. Toruńska) für eine Vergrößerung des Priesterseminars zur Verfügung. Er starb am 9. Februar 1698.
Michał Walter war von 1718 bis 1725 Propst der Marienkirche in Culm.

Überliefert sind die Nachnahmen weiterer Familien schottischen Ursprungs, die sich in Culm niedergelassen haben: Gordon, Herwow, Ahorn, Dominik, Black und Arbuthynat (Arbuthnot)

Quellen:

  • Jan Nierzwicki, 700 lat parafii chełmińskiej, Grudziądz 1933, S. 42-44, 46, 72
  • Zenon Nowak, Dzieje Chełmna do końca XVIII wieku, in: Marian Biskup (Red.), Dzieje Chełmna i jego regionu, Toruń 1968
  • Tadeusz Chrzanowski / Marian Kornecki, Chełmno, Wrocław-Warszawa-Kraków 1991, S. 105 f

[Erstveröffentlichung dieses Beitrags: 17.02.2008]

Deutschsprachige Zeitungen aus Culm

Anna Soborska-Zielińska fasst in einem interessanten Aufsatz mit dem Titel Die deutsche Presse in Culm im 19. Jahrhundert (Prasa niemiecka w Chełmnie w XIX wieku), der am 30. Januar 2009 in der Wochenzeitung Czas Chełmna erschienen ist, Wissenswertes über deutschsprachige Zeitungen zusammen, die in der damals preußischen Stadt herausgegeben wurden. Weitere Informationen lassen sich dem von Horand Henatsch herausgegebenen Buch Kulm an der Weichsel. Stadt und Land im Wechsel der Geschichte 1232-1982, Bremervörde 1982, entnehmen.

Die erste Zeitung in deutscher Sprache wurde vom aus Berlin stammenden Drucker Wilhelm Teodor Lohde (geb. 1811) verlegt, der sich 1830 zunächst in Thorn (Toruń) niedergelassen hatte, dann aber nach Culm zog. Hier wechselte er mehrfach seinen Geschäftssitz. Letztendlich befand sich seine Druckerei in einem Gebäude auf dem Grundstück der heutigen Hauptpost. An der dem Markt zugewandten Seite befand sich das „Römische Hotel“ und im hinteren Bereich die Druckerei Lohdes, die Publikationen sowohl in deutscher als auch polnischer Sprache verlegte, so auch die polnische Zeitung Szkółka Narodowa.

Vom 6. September 1832 bis wahrscheinlich 1865 gab Lohde das Culmer Wochenblatt heraus. Ab 1835 druckte er auch Verfügungen und Bekanntmachungen der preußischen Verwaltung im Kreis-Blatt des Königlich-Preußischen Landraths zu Culm. Dieses Amtsblatt erschien bis in die sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts. Wilhelm Teodor Lohde starb am 30. Mai 1873 in Culm. Danach führte sein Sohn Wilhelm die Druckerei weiter.

Lohde erhielt 1848 Konkurrenz, als der aus Thorn stammende Drucker Carl Brandt eine Bücherei in Culm übernahm und diese mit einer Druckerei verband. Am 1. Januar 1849 erschien die erste Ausgabe des Culmer Boten, der auch nach dem Tod Brandts 1893, wenn auch unter verschiedenen Namen, ununterbrochen bis Anfang 1939 herausgegeben wurde. 1862 wurde der Culmer Bote, der sich zunächst bewusst auf lokale Meldungen und die Besprechungen örtlicher Ereignisse beschränkte, um viele Anzeigenkunden zu gewinnen, in Culmer Zeitung und Kreisblatt umbenannt. Diese genoss bei Journalisten in westlichen Landesteilen einen guten Ruf und so lieferte Brandt selbst Zeitungen in Hannover und Göttingen Nachrichten über Ereignisse in Westpreußen und im russischen Teil Polens.

Am 15. Januar 1897, also vier Jahre nach Brandts Tod, übernahm Gustav Goerz die Zeitung, die zu diesem Zeitpunkt 6000 Abonnenten hatte. Nach dem Ersten Weltkrieg und der Wiedererstehung des polnischen Staats, zu dem Culm (poln. Chełmno) seit Januar 1920 gehörte, wurde der Name zunächst in Bote für das Culmer Land und dann in Culmer Zeitung geändert. Die Druckerei wurde in eine GmbH umgewandelt und von Egon Schulz als Geschäftsführer geleitet. Ab 1937 war Erich Huth (Hutt?) Pächter der Zeitung. Die Druckerei befand sich bis 1920 am Markt (Haus Nr. 13) und in der Zwischenkriegszeit an der ul. Grudziądzka 29.

Die relativ wenigen Exemplare der deutschsprachigen Zeitungen aus Culm, die erhalten geblieben sind (die größten Sammlungen in Polen besitzen gegenwärtig die Nationalbibliothek in Warschau und die Bibliothek der Jagiellonen-Universität in Krakau), gewähren einen Einblick in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben der deutschen Bevölkerung Culms. Interessant sind zum Beispiel Anzeigen, die Rückschlüsse auf das Alltagsleben zulassen, sowie Auseinandersetzungen, die mit der polnischen Presse in nationalen Fragen geführt wurden.

Vielleicht besteht die Chance, dass auch diese Zeitungen im Laufe der nächsten Jahre im Rahmen der Digitalisierung von Periodika in sog. digitalen Bibliotheken allgemein zugänglich gemacht werden.

[Erstveröffentlichung dieses Beitrags: 2. Februar 2009]


Dank Herrn Jürgen Könnecker aus Hohenhameln, der den fast vollständigen Jahrgang der Culmer Zeitung aus dem Jahr 1911 zur Verfügung gestellt hat, konnte ich einen Teil der Ausgaben „digitalisieren“ (Anfertigung einfacher, aber lesbarer Fotos). Sie finden diese in der Kategorie Zeitung.

Archäologische Ausgrabungen am Lorenzberg (Kałdus)

Seit einigen Jahren rückt Culm (poln. Chełmno) wegen einer südwestlich der Stadt beim nahe gelegenen Dorf Kałdus entdeckten Siedlung aus dem frühen Mittelalter immer mehr ins Blickfeld der Historiker. Die Existenz eines Siedlungsbereichs am dortigen Lorenzberg (poln. Góra Św. Wawrzyńca) war schon seit über 120 Jahren bekannt, jedoch kommen erst heute Archäologen der Universität Toruń (Thorn) unter der Leitung von Prof. Dr. Wojciech Chudziak, die seit 1996 den rund 15 ha großen Bereich nach und nach untersuchen, zu Erkenntnissen, die von vielen als sensationell bezeichnet werden. Diese Siedlung, die als Vorgänger der heutigen Stadt Chełmno gilt, war wahrscheinlich eines der wichtigsten Verwaltungs- und Wirtschaftszentren des jungen polnischen Staats zur Zeit der Piasten. Die Piasten waren ein Herrschergeschlecht, das dem westslawischen Stamm der Polanen entstammte. Unter ihrer Führung gewann etwa ab dem Jahr 960 im Raum Gnieźno (Gnesen) / Poznań (Posen) ein Herzogtum an Bedeutung, das 966 nach der Taufe Mieszkos I. (ca. 935 – 992) in einem zunehmenden Spannungsverhältnis zu benachbarten heidnischen Stämmen stand. Mieszko I. gelang es durch die Annahme des römisch-katholischen Glaubens seine politische Stellung zu festigen und unter anderem durch Kreuzzüge sein Herrschaftsgebiet in nördliche Richtung auszudehnen.

Durch die jüngst bei Kałdus durchgeführten Ausgrabungen wurden Hinweise auf die Christianisierungsbemühungen im Bereich der späteren Stadt Chełmno während dieser Epoche sichtbar. An der Stelle einer vormals großen heidnischen Siedlung, die durch ihre Lage an wichtigen Verkehrswegen eine große Bedeutung für den Handel hatte, begann man nämlich in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts eine frühromanische Basilika zu errichten. Nach der Freilegung der bis zu einem Meter hohen, steinernen Grundmauern dieser nie vollendeten Kirche mit einer Länge von ca. 37 m und einer Breite von rund 17 m konnte man feststellen, dass diese von Größe und Anlage her mit den Kathedralen in Poznań und Gnieźno vergleichbar war. Prof. Chudziak schließt nicht aus, dass dieses Gotteshaus der Einrichtung eines Bistums dienen sollte. Mit Sicherheit sollte sie eine wesentliche Rolle bei der Christianisierung dieses Landstrichs spielen. Durch einen Einfall der heidnischen Pruzzen, die sich in den dreißiger Jahren des 11. Jahrhunderts gegen die christlichen Herrscher erhoben, zu einem nicht genau feststehenden Zeitpunkt auch die Siedlung bei Kaldus brandschatzten und dieses Gebiet bis zum 13. Jahrhundert kontrollierten, wurde ein Weiterbau der Kirche jedoch verhindert.

Einen weiteren Hinweis auf die herausragende Rolle des frühmittelalterlichen Chełmno spielt ein großflächiger Friedhof mit über 1500 Gräbern, die auf eine zahlreiche Einwohnerschaft unterschiedlicher Herkunft schließen lassen. Die Archäologen der Universität Toruń entdeckten unter anderem fünf Grabkammern, deren Konstruktion und Ausstattung davon zeugen, dass in ihnen Skandinavier beigesetzt worden sind. Prof. Chudziak geht davon aus, dass sich die Wikinger im Weichselgebiet zunächst vor allem als Händler betätigten und im Laufe der Entwicklung des Piastenstaates auch im Weichselgebiet ihre Dienste als Krieger anboten oder sogar Verwaltungsfunktionen übernahmen. In der Siedlung bei Kałdus lebte zur Piastenzeit eine größere Gruppe von Personen skandinavischer Herkunft als Nachbarn der einheimischen Slawen.

Bereits heute gilt als erwiesen, dass hier, in Sichtweite der heutigen Stadt Chełmno, im 11. und 12. Jahrhundert eine der größten befestigten Siedlungen an der unteren Weichsel lag, deren Einwohnerzahl erst sank, als 1233 südwestlich in geringer Entfernung die Gründung der Stadt Chełmno durch den Deutschen Orden im Bereich des heutigen Dorfes Starogród erfolgte. Am Lorenzberg verblieb ein Potterberg genannter Wachposten, der die junge Stadt sichern sollte. Für die Zeit vom 14. bis 17. Jahrhundert finden sich keine archäologischen Spuren mehr. Ende des 16. Jahrhunderts entstand eine Holzkapelle, zu der Pilgerfahrten unternommen wurden. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verfiel die Kapelle jedoch und wurde abgerissen.

Die Universität Toruń will die Ausgrabungsarbeiten, die unter anderem vom Versicherungsunternehmen Allianz finanziert werden, noch über viele Jahre fortführen. Es gibt Pläne, am Lorenzberg ein Freilichtmuseum einzurichten, um diese historische Stätte zu sichern und die Ergebnisse der Forschungen der Öffentlichkeit besser präsentieren zu können. Aus finanziellen Gründen hat dieses Projekt jedoch noch keine konkreten Formen angenommen.

Quellen:

  • Góra z tajemnicą, Czas Chełmna, 11.07.2003
  • Jesteśmy potomkami wikingów, Gazeta Wyborcza-Toruń 18.06.2004
  • Pod Świętym Wawrzyńcem, Biuletyn Komitetu Badań Naukowych “Sprawy Nauki”, Wydanie 2004/5 (21.05.2004)

Wissenschaftliche Literatur zum Thema – Reihe Mons Sancti Laurentii:

  • Chudziak, Wojciech, Wczesnośrednio- wieczna przestrzeń sakralna in Culmine na Pomorzu Nadwiślańskim, ISBN 83-231-1648-2, 198 Seiten, 2003
  • Chudziak, Wojciech (Red.), Wczesno- średniowieczny zespół osadniczy w Kałdusie. Studia przyrodniczo-archeologiczne, ISBN 83-231-1751-9, 315 Seiten, 2004

Weitere Fachliteratur über Kałdus:

  • Chudziak, Wojciech: Wikingerzeitliche Spuren des skandinavischen Brauchtums in Kałdus (Ostpommern) in: Archäologisches Korrespondenzblatt 33 (2003), 145-156
  • Chudziak, Wojciech: Wczesnośredniowieczne groby komorowe z Kałdusa pod Chełmnem na Pomorzu Wschodnim [Frühmittelalterliche Kammergräber aus Kaldus bei Chelmno in Ostpommern] in: Slavia Antiqua 42 (2001), 63-96, dt. Zusammenf.
  • Chudziak, Wojciech: Pierwsza katedra biskupów kujawsko-pomorskich. O badaniach archeologicznych w Kałdusie pod Chełmnem [Die erste Kathedrale der kujawisch-pommerellischen Bischöfe. Über archäologische Forschungen in Kaldus bei Chelmno] in: Pomerania. Miesięcznik Społeczno-Kulturalny 10/1998, 18-22
  • Chudziak, Wojciech: The early Romanesque building from Kałdus, voivodeship of Toruń – chronology and function, in: Quaestiones Medii Aevi Novae 4 (1999), 197-209
  • Chudziak, Wojciech: Badania wczesnośredniowiecznego zespołu osadniczego w Kałdusie, woj. toruńskie (1997 rok) [Forschungen zum frühmittelalterlichen Siedlungskomplex in Kaldus, Wojewodschaft Torun (1997)], in: Studia z Archeologii, Historii i Geografii Historycznej / Red. Jerzy Olczak. Toruń 1997 (Archaeologia Historica Polona; 6), 291-292.
  • Chudziak, Wojciech: Die Kirche im Burgwall von Kałdus bei Kulm (Chełmno), in: Europas Mitte um 1000, Bd. 1: Beiträge zur Geschichte, Kunst und Archäologie 1. Stuttgart 2000, 511-514.

[Erstveröffentlichung dieses Beitrags: 23.01.2005]

Aktion T4 – Ermordung von Patienten der Psychiatrischen Anstalt Schwetz (Świecie)

Ein tragisches Schicksal nahmen im Herbst 1939 nach der Besetzung Polens durch das nationalsozialistische Deutschland die damaligen Patienten der 1855 gegründeten und bis heute bestehenden Psychiatrischen Anstalt in Schwetz (Świecie), die im Rahmen der sogenannten Aktion T4 ermordet worden sind. Es wird geschätzt, dass in den besetzten Gebieten Polens nach Kriegsbeginn innerhalb weniger Monate 10000 bis 15000 psychisch kranke Menschen systematisch getötet wurden[1]. Vom 10. bis zum 17. September 1939 wurden von den 1200 Patienten der Psychiatrischen Anstalt in Schwetz rund 1000 in Wäldern im Kreisgebiet erschossen. Bewohner umliegender Dörfer wurden gezwungen, vor Ort Massengräber auszuheben. Bekannt ist, dass die Morde von einer 30 Mann starken Einheit des volksdeutschen Selbstschutzes unter dem Kommando des Schwetzer Brauereibesitzers Rost begangen worden sind. Auch SS-Männer des Wachsturmbanns Kurt Eimann waren an dem Massenmord beteiligt. Unter den Opfern aus der Schwetzer Anstalt befanden sich 120 Kinder.[2]
Das Oberste Nationaltribunal Polens, vor dem sich der Gauleiter von Danzig-Westpreußen Albert Forster nach dem Krieg wegen seiner Verbrechen verantworten musste, befasste sich unter anderem mit der Umsetzung des sogenannten Euthanasieprogramms im westpreußischen Raum. In diesem Zusammenhang wurde Aleksander Zielonka, der während der fraglichen Zeit Pfleger in der Psychiatrischen Anstalt Schwetz war, als Zeuge vernommen. Er sagte über die “Liquidation” dieses Krankenhauses Folgendes aus:

Vorsitzende des Tribunals: Wie verlief diese Liquidation?
Zeuge Aleksander Zielonka: In die Anstalt für psychisch Kranke kam damals ein gewisser deutscher Arzt, aus Hamburg, wie man sagte, um die Liquidation der Anstalt durchzuführen. Seinen Namen kannte ich nicht. Sein Nachfolger war Dr. Neber. Tag für Tag kamen Lastkraftwagen zur Anstalt gefahren. Auf einen wurden jeweils sechzig Kranke geladen. Es kamen mindestens zwei Fahrzeuge. Sie wurden irgendwo in die Gegend von Jeżewo gebracht und dort am Wald erschossen. Von einem SS-Mann, an dessen Namen ich mich nicht erinnere, habe ich erfahren, dass sie deshalb erschossen wurden, weil sie eine Last für das Deutsche Reich waren. Die Liquidation dauerte etwa fünf, sechs Tage. Die übrigen Kranken, es waren 350 bis 370, wurden nach Kocborowo transportiert, wo sie auch erschossen wurden. Aus dem Munde eines Deutschen, der ein gutes Verhältnis mit den Polen unterhielt und für ein Gläschen Wodka viel erzählte, habe ich vom Verlauf der Exekution erfahren, bei der dieser Deutsche anwesend war. Er erzählte, dass aus dem Fahrzeug jeweils drei Kranke geführt wurden und im Bereich des Hinterkopfs erschossen wurden.
Danach wurde mit der Liquidation des Kinderpavillons begonnen. Die Kinder haben sich gefreut, dass sie mit einem Auto fahren, derweil wurden sie erschossen. Die Kinder wurden auf folgende Weise ermordet. Erst wurden sie alle auf eine Wiese gelassen und anschließend wurde auf sie geschossen wie beim Scheibenschießen.

Vorsitzende: Waren es viele Kinder?
Zeuge: Mehr als hundert.

Vorsitzende: Und alle wurden mit einem Transport weggebracht?
Zeuge: Ja, mit zwei Fahrzeugen.

Vorsitzende: Fand die Exekution an demselben Ort statt?
Zeuge: Ja, in Jeżewo.

Vorsitzende: In welchem Alter waren diese Kinder?
Zeuge: Im Alter von viereinhalb bis fünf Jahren.

Vorsitzende: Diese Kinder wurden also weggebracht und später wurde eine Jagd auf sie veranstaltet. Von wem haben Sie das erfahren?
Zeuge: Vom SA-Mann Treptow, der an dieser Exekution teilgenommen hat.

Vorsitzende: Hat Ihnen einer der SA-Männer erzählt beziehungsweise wissen Sie, auf wessen Anordnung die Vernichtung der geistig Kranken erfolgt ist?
Zeuge: Man sagte mir, dass man eine solche Anordnung aus Danzig (Gdańsk) erhalten habe.

Vorsitzende: Sind die polnischen Ärzte im Krankenhaus verblieben?
Zeuge: Sie blieben noch einen Monat lang, später kamen sie unter Hausarrest. Der Direktor der Anstalt wurde in unbekannte Richtung verschleppt. Man sagte, dass er getötet worden sei. Anderen Ärzten ist es gelungen zu flüchten.[3]

Quellen:
[1] Schenk, Dieter: Albert Forster gdański namiestnik Hitlera, Gdańsk 2002, S. 262
[2] Gut, Agata: Eutanazja – ukryte ludobójstwo pacjentów szpitali psychiatrycznych w Kraju Warty i na Pomorzu w latach 1939-1945, Website des Instituts des Nationalen Gedenkens www.ipn.gov.pl (03.04.2008)
[3] Podgóreczny, Marian: Albert Forster – gauleiter i oskarżony, Gdańsk 1977, S. 306 f

[Erstveröffentlichung dieses Beitrags: 03.04.2008]

NS-Verbrechen am 8. Oktober 1939 in Schwetz (Świecie)

Am Culm gegenüberliegenden, westlichen Weichselufer erstreckt sich die Kreisstadt Schwetz (poln. Świecie), die 1938 von 8513 Menschen bewohnt wurde. Der Anteil der deutschstämmigen Bevölkerung in der Stadt betrug im Jahr 1934 6,5%. Im gesamten Kreisgebiet lebten fünf Jahre vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 70620 Personen polnischer Nationalität, 13691 waren deutscher Herkunft und 211 jüdischen Glaubens[1]. In den Vorkriegsjahren entwickelte sich im Kreis Schwetz eine Ortsgruppe der NSDAP, die im Juli 1937 51 Mitglieder zählte. An Parteiveranstaltungen nahmen im Frühjahr 1938 über 100 Personen teil[2].

Ähnlich wie in Culm vollzog sich auch in Schwetz nach der Einnahme des Kreisgebiets durch die Wehrmacht Anfang September 1939 rasch der Aufbau des nationalsozialistischen Machtapparats. Von den Besatzern durchgeführte Verhaftungen und Erschießungen von Teilen der einheimischen, polnischen und jüdischen, Bevölkerung sind als prägende Vorgänge während der ersten Monaten der Besatzung nach dem Krieg eingehend untersucht worden. Besonders bemerkenswert ist ein schriftlicher Zeugenbericht über einen Massenmord auf dem jüdischen Friedhof von Schwetz am 8. Oktober 1939. Bemerkenswert deshalb, weil er vom Kompanieführer der 3. Kompanie der Krankentransport-Abteilung 581 der deutschen Wehrmacht stammt, die in dieser Zeit in Schwetz stationiert war, und an Hitler gerichtet ist. Das Dokument hat folgenden Inhalt:

An den obersten Befehlshaber der Wehrmacht und Führer des Deutschen Volkes Adolf Hitler. Auf dem militärischen Dienstwege! Ich melde: Am Sonntag, den 8. Oktober 1939 gegen 13 Uhr berichteten mir der Unteroffizier Kleegraf, Gefreiter Kluge sowie der Gefreite Roschinski im Beisein aller Kompanieoffiziere (Stabsarzt Dr. Frenz, Stabsarzt Dr. Witte, Stabsarzt Dr. Bertram, Assistenzarzt Dr. Jürgens, Assistenzarzt Dr. Laarmann, Unterarzt Strausberg) was folgt: Sie seien am Sonntag, den 8 Okt. gegen 9.30 Uhr etwa 150 Wehrmachtskameraden auf dem Judenfriedhof in Schwetz Augenzeugen der standrechtlichen Erschiessung von etwa 20-30 Polen gewesen. Die Exekution sei ausgeführt worden von einer Abteilung, bestehend aus einem Angehörigen der Schutzstaffel, zwei Männern in alter blauer Schupouniform und einem Mann in Zivilkleidern. Die Aufsicht habe ein Sturmbannführer der Schutzstaffel geführt. Es seien bei der Exekution auch 5-6 Kinder im Alter von etwa 2-8 Jahren erschossen worden. Die Obengenannten sind bereit, ihre Aussagen zu beeiden, gez. Dr. Möller, Oberstabsarzt der Reserve und Kompanieführer[3]

Einen genauen Eindruck von diesem Massenmord vermittelt die Schilderung des in der Meldung genannten Gefreiten Kluge:

Am Samstag den 7.10.1939 hörte ich bei einem Rundgang durch die Stadt bei Gesprächen unter Kameraden, daß am Vormittag auf dem Judenfriedhof in Schw. eine größere Zahl Polen erschossen worden seien; und daß am Sonntagmorgen nochmals eine Erschießung stattfinden sollte. Das Gespräch über die bevorstehende Erschießung war unter den in Schw. untergebrachten Soldaten allgemein. Infolgedessen begab ich mich am Sonntagmorgen mit dem größten Teil meiner Kameraden zum Judenfriedhof, wo wir bis 9 Uhr erstmals vergebens warteten. Wir wollten uns schon wieder in unsere Quartiere begeben, als ein größerer Autobus, beladen mit Frauen und Kindern, zum Friedhof hineinfuhr. Wir gingen nun wieder zum Friedhof zurück. Wir sahen dann, wie eine Gruppe von einer Frau und drei Kindern, die Kinder im Alter von etwa drei bis acht Jahren, von dem Omnibus zu einem ausgeschaufelten Grab von 8 m Breite und 8 m Länge hingeführt wurden. Die Frau mußte in dieses Grab hinabsteigen und nahm dabei ihr jüngstes Kind auf dem Arm mit. Die beiden anderen Kinder wurden ihr von zwei Männern des Ex. Kdos. gereicht. Die Frau mußte sich bäuchlings, d.h. mit dem Gesicht zur Erde, flach ins Grab legen, ihre drei Kinder zur Linken in derselben Weise angereiht. – Danach stiegen vier Mann ebenfalls in das Grab, legten ihre Gewehre so an, daß die Mündungen etwa 30 cm vom Genick entfernt waren, und erschossen auf diese Weise die Frau mit ihren drei Kindern. Ich wurde dann aufgefordert v. d. aufs. führenden St. Bannf., mit zuschaufeln zu helfen. Ich kam diesem Befehl nach und konnte daher aus nächster Nähe jedes Mal sehen, wie die nächsten Gruppen Frauen und Kinder in derselben Weise erschossen wurden. Im ganzen 9-10 Frauen und Kinder, jedesmal zu vieren in demselben Massengrab. Der Erschießung sahen in einer Entfernung von ca. 30 m etwa 200 Soldaten der Wehrmacht zu. Etwas später kam ein zweiter Omnibus mit Männern auf den Friedhof gefahren, darunter befand sich noch eine Frau. Diese Männer mußten in das Grab, in dem die frischen Leichen nur notdürftig mit Sand zugestreut lagen, steigen, sich bäuchlings der Länge nach hinlegen, wo sie dann von den vier Männern des Kds. durch Genickschuß erledigt wurden. Im ganzen wurden an diesem Morgen etwa 28 Frauen, 25 Männer und 10 Kinder im Alter von 3-8 Jahren erschossen.[4]

Die Exekutionen werden der SS unter Befehl der Sturmbannführer Meier und Tietzmann zugeschrieben[5]. Am 7. Oktober, den der Gefreite Kluge zu Beginn seiner Schilderung erwähnt, waren über 20 jüdische Personen, die zuvor im Gefängnis beim Gericht festgehalten worden waren, von SS- und SA-Angehörigen durch die Straßen der Altstadt zum jüdischen Friedhof getrieben worden, der sich an der ul. Polna befand. Nachdem die Gefangenen gezwungen worden waren, ihr eigenes, zweieinhalb Meter breites und zwei Meter tiefes, Grab mit einer Länge von 17 Metern auszuheben, mussten sich jeweils vier Personen in das Grab hineinlegen und wurden erschossen. An dieser Hinrichtung, die von Soldaten der Wehrmacht beobachtet wurde, nahm neben den Deutschen in SS- und SA-Uniformen auf Anordnung eines SS-Offiziers auch ein Wehrmachtsangehöriger teil. Der Soldat Fritz Brauner bestätigte am 9. Februar 1946 in seiner Aussage vor einem Gericht in Recklinghausen, dass er dabei vier Menschen tötete. Die übrigen Soldaten weigerten sich, an der Exekution teilzunehmen, teilweise sollen sie offen ihre Empörung geäußert haben[6].

Angesichts der Erschießung der Kinder war der verbrecherische Charakter der Tat mehr als offensichtlich. Das Propagandagetöse, mit dem in den besetzten Gebieten Polens kaltblütige Morde an der einheimischen Bevölkerung oftmals als gerechte Bestrafung für vermeintliche Gewaltakte gegenüber Deutschen dargestellt wurden, musste spätestens an diesem Tag bei den zuschauenden Wehrmachtssoldaten in Schwetz im Nichts verhallen. Zu mehr als einem Protestschreiben, nachdem man sich das sonntägliche Schauspiel unter aktiver Teilnahme eines Kameraden hatte bieten lassen, waren die Soldaten dieser Einheit jedoch nicht bereit.

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Quellen:
[1] Wojciechowski, Mieczysław: Świecie w latach 1939-1945 (Schwetz in den Jahren 1939-1945), in: Miasta Pomorza Nadwiślańskiego i Kujaw w okresie I wojny światowej oraz w międzywojennym dwudziestoleciu (1914-1939). Zbiór studiów. Wydawnictwo Uniwersytetu Mikołaja Kopernika, Toruń 2000, S. 148 f.
[2] Wojciechowski, Świecie w latach 1920-1939, S. 188 f.
[3] Dieses Dokument wird mit Erläuterungen wiedergegeben in Bojarksa, Barbara: Zbrodnie niemieckie na terenie powiatu Świecie nad Wisłą (Deutsche Verbrechen auf dem Gebiet des Kreises Schwetz an der Weichsel), in: Przegląd Zachodni, Band 21 (1965); S. 96-118, S. 109
[4] Die Aussage Kluges wird im Wortlaut dargestellt in Madajczyk, Czesław: Die Okkupationspolitik Nazideutschlands in Polen 1939-1945, Pahl-Rugenstein Verlag; Köln 1988, S. 15 f; Die Meldung der 3. Kompanie des Armeekrankentransports 581 lag dem Oberkommando des Heeres am 11. Oktober 1939 vor.
[5] Madajczyk, S. 15
[6] Bojarksa, Zbrodnie niemieckie …, S. 108 f

[Erstveröffentlichung dieses Beitrags: 26.11.2004]

Frédéric Chopin in Schwetz

Der Komponist Frédéric (Fryderyk) Chopin, 1810 in Żelazowa Wola rund 50 km westlich von Warschau geboren, gilt als bedeutendste Persönlichkeit der polnischen Musikgeschichte. Bevor er 1830 sein Heimatland für immer verließ, studierte er von 1826 bis 1829 in Warschau bei Józef Elsner. In diesen Jahren unternahm Chopin viele Reisen und begab sich auch zum ersten Mal ins Ausland. Wie über so viele Aspekte seines Lebens liegen auch über diesen Zeitraum keine vollständigen Überlieferungen vor, die eine lückenlose Beschreibung seiner Aufenthaltsorte erlauben. Sehr wahrscheinlich ist es, dass er 1827 für kurze Zeit die Region Culm – Schwetz besucht und im Gutshof der Familie Zboiński in Koslowo (poln. Kozłowo) während einer Reise nach Danzig eine Zwischenstation eingelegt hat.

Koslowo war ein kleines Dorf südwestlich von Schwetz und ist heute ein Teil der Stadt. Der Gutshof ist 1910 abgebrannt, erhalten sind nur zwei Nebengebäude. An den Besuch des Komponisten erinnert eine Gedenktafel mit der Inschrift “Zur Erinnerung an den Aufenthalt Frédéric Chopins in Koslowo und Schwetz im Sommer 1825″, die am 27. November 1985 vom Schwetzer Ortsverein des Polnischen Verbands für Touristik und Landeskunde (PTTK) auf einem Findling in der Nähe des früheren Gutshofs angebracht wurde.

Dass es diesen Besuch gegeben hat, ist sehr wahrscheinlich. In einem in Kowalewo bei Płock verfassten Brief an seine Eltern beschreibt Chopin, dass ihn eine Reise über Turzno nordöstlich von Thorn (Toruń) und Koslowo bei Schwetz bis nach Danzig führen wird. Zweifel bestehen jedoch daran, ob er diese im Jahr 1825 unternahm. Der genannte Brief ist nämlich beschädigt und trägt kein Datum. Professor Andrzej Bukowski geht in einem 1987 veröffentlichten Artikel davon aus, dass der Brief nicht aus dem Jahr 1825 stammt, sondern zwei Jahre später verfasst wurde. Bukowski hat festgestellt, dass der 17-jährige Chopin Teil einer Reisegesellschaft war, die im August 1827 im Danziger Hotel Drei Mohren Quartier nahm. Zu dieser gehörte, wie es das Intelligenz-Blatt für den Bezirk der Königlichen Regierung zu Danzig vermeldete, unter anderem Graf Zboiński aus Koslowo. Bukowski nimmt an, dass Chopin vom 10. bis 15. und vom 21. bis 25. August in Danzig war. Dazwischen, vom 16. bis 20. August, hielt er sich auf dem Gut des Grafen Sierakowski in Großwaplitz (poln. Waplewo Wielkie) östlich von Stuhm (poln. Sztum) auf.
Daraus folgt, dass die von Chopin seinen Eltern angekündigte Reise tatsächlich stattgefunden hat. Von Turzno aus führte die Fahrt mit der Kutsche sicherlich über Culmsee (Chełmża) bis nach Culm (Chełmno), um dort die Weichsel zu überqueren. In Koslowo bei Schwetz war Chopin wahrscheinlich vom 4. bis 8. August 1827, um dann mit seinem Gastgeber, dem Grafen Zboiński, den er schon in Kowalewo getroffen haben dürfte, nach Danzig weiterzureisen. Möglich ist, dass er auch auf der Rückreise hier Station machte. Ob der junge Komponist den August 1827 tatsächlich so verbracht hat, ist nicht vollkommen gesichert. Unklar ist nämlich, mit wem Chopin wieder zurück ins zum russischen Teilungsgebiet gehörende Kowalewo und dann weiter nach Warschau gereist ist. Als Minderjähriger konnte Chopin die russisch-preußische Grenze nämlich eigentlich nur in Begleitung eines Erwachsenen überqueren, in dessen Pass er eingetragen war. Dazu fehlen bisher nähere Angaben.

Graf Ksawery Zboiński war mit den Eltern Chopins befreundet. Sie wählten ihn als Taufpaten für ihre Tochter Emilia aus. 1795 in Koslowo geboren, erbte Ksawery Zboiński das väterliche Gut, zu dem insgesamt 4855 ha Land gehörten. Hier soll er auch vornehmlich gewohnt haben. Nach dem gescheiterten Novemberaufstand 1830 geht er in die Emigration nach Krakau. Anfang 1848 nimmt er an einer militärischen Erhebung gegen die preußische Regierung teil, die er mit 40000 Talern und einer 40 Mann starken Einheit unterstützt. Er wurde festgenommen und in Graudenz (Grudziądz) sowie Pillau inhaftiert. Ksawery Zboiński starb 1853 in Koslowo, vier Jahre nach dem frühen Tod Frédéric Chopins.

Quellen:
Andrzej Bukowski, Chopin w Kozłowie, Kociewski Magazyn Regionalny nr 3, Tczew 1987
Jan. A. Kamiński, W Kozłowie Chopin grał mazurki, Kociewski Magazyn Regionalny nr 1, Tczew 1986
Piotr Mysłakowski, Andrzej Sikorski: Ksawery Zboiński (1795-1853), veröffentlicht im Juni 2006 auf der Website des Narodowy Instytut Fryderyka Chopina

[Erstveröffentlichung dieses Beitrags: 13.01.2008; ergänzt mit Fotos des Gedenksteins 13.02.2024]